Abschied von der OS-Plattform: Was die neue EU-Verordnung bedeutet

Die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) wird eingestellt. Das ergibt sich aus der Verordnung (EU) 2024/3228, die am 19. Dezember 2024 verabschiedet wurde. Diese Entscheidung markiert das Ende eines ehrgeizigen Projekts, das Verbrauchern und Unternehmern eine zentrale Anlaufstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten bieten sollte. Doch was sind die Hintergründe, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Ziel und Scheitern der OS-Plattform

Die OS-Plattform wurde 2016 als Teil der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 ins Leben gerufen. Ziel war es, einen niederschwelligen und effizienten Mechanismus für die Beilegung von Konflikten aus Online-Kauf- und Dienstleistungsverträgen zu schaffen. Über die Plattform konnten Verbraucher Unternehmer dazu auffordern, einem Verfahren vor einer alternativen Streitbeilegungsstelle (ADR) zuzustimmen.

Trotz jährlich zwei bis drei Millionen Besuchern nutzten jedoch nur wenige die Plattform tatsächlich zur Einreichung von Beschwerden. Laut der EU-Kommission wurden lediglich rund 200 Fälle pro Jahr an eine ADR-Stelle weitergeleitet – eine Bilanz, die die Plattform langfristig als ineffizient und kostspielig erscheinen ließ.

Gründe für die Einstellung

Die EU-Kommission stellte in einer Konsultation 2022 fest, dass die Plattform nur von 5 % der Verbraucher wahrgenommen wurde, die an der Befragung teilgenommen hatten. Die Mehrheit der Befragten sprach sich für erhebliche Verbesserungen oder die Einstellung der Plattform aus. Auch die niedrige Erfolgsquote von nur 2 % bei der Weiterleitung von Beschwerden an ADR-Stellen führte zu der Bewertung, dass die Plattform nicht den Anforderungen an Effizienz und Wirksamkeit entspricht.

Zeitplan für die Abschaltung

Die Einstellung der OS-Plattform erfolgt schrittweise:

  1. 20. März 2025: Letzter Tag zur Einreichung von Beschwerden.
  2. 20. Juli 2025: Vollständige Löschung aller Daten und endgültige Abschaltung.

Die Kommission ist verpflichtet, betroffene Nutzer über die Einstellung zu informieren und ihnen den Abruf ihrer Daten zu ermöglichen.

Änderungen in anderen Rechtsakten

Mit der Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 werden auch andere EU-Rechtsakte angepasst, die sich auf die OS-Plattform beziehen. So wird beispielsweise in der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Verordnung (EU) 2018/1724 der Verweis auf die Plattform gestrichen.

Konsequenzen für Unternehmer und Verbraucher

Für Online-Händler entfällt künftig die Verpflichtung, einen Link zur OS-Plattform bereitzustellen. Dennoch bleibt die Pflicht zur außergerichtlichen Streitbeilegung gemäß der Richtlinie 2013/11/EU bestehen. Verbraucher müssen sich in Zukunft direkt an ADR-Stellen wenden.

Unternehmen sollten die anstehenden Änderungen frühzeitig in ihre Compliance-Prozesse einbinden, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Auch die Kommunikation mit Verbrauchern sollte entsprechend angepasst werden.

Konsequenzen für Unternehmen mit abgegebener Unterlassungserklärung wegen fehlendem OS-Plattform-Link

Ein besonderer Aspekt, den Unternehmen beachten sollten, betrifft abgegebene Unterlassungserklärungen, die aufgrund eines fehlenden Links zur OS-Plattform erfolgt sind. Diese Verpflichtungen beruhen meist auf Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherverbände, die geltend gemacht haben, dass der fehlende Link gegen die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 verstößt.

Mit der Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 und der Einstellung der OS-Plattform entfällt die rechtliche Grundlage für diese Informationspflicht. Das hat folgende Auswirkungen:

Prüfung und Anpassung der Unterlassungserklärung

  1. Bestehende Unterlassungsverpflichtungen:
    Unternehmen, die eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, sollten diese rechtlich überprüfen lassen. Nach Wegfall der zugrunde liegenden Verordnung könnte die Verpflichtung, den Link weiterhin vorzuhalten, gegenstandslos geworden sein. Allerdings erlischt die Unterlassungserklärung nicht automatisch, da sie ein vertragliches Verhältnis darstellt.
  2. Rechtliche Anpassung anfordern:
    Betroffene Unternehmen sollten den Abmahner, mit dem die Unterlassungserklärung vereinbart wurde, kontaktieren. Dabei kann einvernehmlich geklärt werden, dass die Verpflichtung entfällt, da die Informationspflicht ab dem 20. Juli 2025 nicht mehr existiert.
  3. Kündigung der Unterlassungserklärung
    Sofern eine einvernehmliche Lösung nicht in Betracht kommt, so sollten Unternehmen die dahingehende Unterlassungserklärung vorsorglich zum 20.7.2025 kündigen. Dies sollte aber ebenfalls juristisch begleitet werden, um keine unnötigen Fehler zu begehen.

Vorbeugende Maßnahmen

Für die Zukunft ist es wichtig, die Informationspflichten regelmäßig zu überwachen. Ab dem 20. Juli 2025 entfällt zwar der OS-Plattform-Link, aber die allgemeine Verpflichtung zur alternativen Streitbeilegung gemäß der Richtlinie 2013/11/EU bleibt bestehen. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass sie Verbraucher auf ihre zuständige ADR-Stelle hinweisen.

Fazit

Die Einstellung der OS-Plattform zeigt, dass selbst gut gemeinte digitale Lösungen scheitern können, wenn sie nicht den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen. Für Unternehmer bedeutet dies eine Erleichterung bei Informationspflichten, für Verbraucher jedoch eine mögliche Hürde bei der Konfliktlösung.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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