Anom-Chat: BGH erklärt Nutzung von Kryptodaten zur Strafverfolgung für rechtmäßig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein wegweisendes Urteil zur Verwertung von im Ausland erlangten Beweismitteln gefällt. Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 9. Januar 2025 betraf die Nutzung von Daten aus der verschlüsselten Kommunikations-App „Anom“, die vom FBI gezielt als Überwachungsinstrument in der organisierten Kriminalität eingesetzt wurde. Die Kernaussage: Diese Daten sind verwertbar, wenn sie der Aufklärung schwerer Straftaten dienen.

Hintergrund des Falls

Der Fall drehte sich um einen Angeklagten, der 35 Verbrechen im Drogenhandel begangen haben soll. Er nutzte die in der Taschenrechnerfunktion seines Mobiltelefons versteckte App „Anom“, um seine Geschäfte zu organisieren. Die App war jedoch eine Falle des FBI: Sie wurde speziell entwickelt, um kriminelle Netzwerke zu überwachen. Das FBI konnte verschlüsselte Nachrichten entschlüsseln und übermittelte die gesammelten Daten an europäische Behörden. In Deutschland führten diese Beweise zu Ermittlungen und schließlich zur Verurteilung des Angeklagten.

Der Angeklagte argumentierte vor dem BGH, dass die Daten unter Verstoß gegen deutsche und internationale Rechtsvorschriften erlangt worden seien und daher nicht verwertet werden dürften.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH wies die Revision weitgehend zurück. Die Daten aus der Anom-App seien trotz ihrer Herkunft aus den USA rechtmäßig verwertet worden. Die Begründung:

  1. Verfassungsrechtlicher Rahmen
    § 261 StPO, der den Freibeweisgrundsatz im Strafprozess regelt, erlaubt auch die Verwertung von im Ausland erlangten Beweismitteln. Ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot für solche Daten gibt es im deutschen Recht nicht.
  2. Prüfung nach deutschem Recht
    Entscheidend sei allein die Vereinbarkeit der Beweise mit deutschem Recht. Ob die ausländischen Ermittlungen rechtmäßig waren oder ob deutsche Behörden auf die gleiche Weise hätten handeln dürfen, spiele keine Rolle.
  3. Kein Verstoß gegen Grundrechte
    Das Gericht sah keine Verletzung von menschenrechtlichen oder rechtsstaatlichen Grundwerten. Die Maßnahmen richteten sich gezielt gegen Personen, die im Verdacht standen, schwere Straftaten begangen zu haben. Dass die Anom-App von Anfang an für kriminelle Zwecke konzipiert war („designed by criminals for criminals“), begründete einen Anfangsverdacht allein durch den Besitz eines solchen Geräts.
  4. Fairness des Verfahrens
    Auch der Umstand, dass der Angeklagte keine direkten Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Drittstaats hatte, führte nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Auswirkungen und Bedeutung

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Strafverfolgung. Es bestätigt, dass Beweise aus internationalen Ermittlungen – selbst wenn sie in Deutschland rechtlich nicht möglich gewesen wären – im Verfahren genutzt werden können, sofern sie im Einklang mit deutschen Rechtsvorschriften stehen. Das ist besonders relevant im Kampf gegen organisierte Kriminalität, die oft grenzüberschreitend agiert.

Allerdings zeigt das Urteil auch die rechtlichen und ethischen Herausforderungen bei der Nutzung solcher Daten. Die enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und die Abhängigkeit von deren Ermittlungsstrategien werfen Fragen nach Transparenz und Kontrolle auf.

Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass die Strafjustiz angesichts globaler Kriminalität auf internationale Kooperation angewiesen ist. Gleichzeitig bleibt die Rechtmäßigkeit solcher Beweise ein Thema, das weiter diskutiert werden dürfte – nicht zuletzt wegen möglicher Eingriffe in Grundrechte.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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