Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat am 29. Mai 2024 im Beschluss 13 U 8/24 eine bedeutende Entscheidung zur Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auf Verträge zwischen Unternehmern getroffen. Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für Online-Verkaufscoachings und ähnliche Fernunterrichtsverträge, insbesondere wenn sie zwischen Unternehmen geschlossen werden.
Hintergrund und Verfahrensgang
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 16. Januar 2024 Berufung eingelegt. Die Klägerin verlangte eine restliche Vergütung von 5.211 € aus einem Verkaufscoachingvertrag, welcher jedoch vom Landgericht als nichtig nach § 7 Abs. 1 FernUSG angesehen wurde, da der Vertrag ohne die erforderliche Zulassung abgeschlossen wurde (Rn. 1-4).
Kernpunkte der Entscheidung
1. Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer:
Das OLG Celle stellte klar, dass das FernUSG nicht nur auf Verbraucher, sondern auch auf Unternehmer Anwendung findet. Diese Entscheidung baut auf einem früheren Urteil des OLG Celle vom 1. März 2023 auf, das bereits feststellte, dass das FernUSG keine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Verbraucher enthält (Rn. 4, 5). Der Zweck des FernUSG, nämlich der Schutz vor qualitativ unzureichenden Fernunterrichtsangeboten, sei unabhängig davon relevant, ob der Lernende Verbraucher oder Unternehmer ist (Rn. 6).
2. Qualifikation als Fernunterrichtsvertrag:
Der Vertrag über das Verkaufscoaching „M. S.“ erfülle die Kriterien eines Fernunterrichtsvertrags gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG. Er beinhalte die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, wobei Lehrender und Lernender überwiegend räumlich getrennt sind und der Lernerfolg überwacht wird (Rn. 7-10). In diesem Fall wurden wöchentliche „Live-Calls“ aufgezeichnet und als Videos zur Verfügung gestellt, was die Voraussetzung der räumlichen Trennung erfülle (Rn. 9).
3. Notwendigkeit einer Zulassung:
Für das streitgegenständliche Verkaufscoaching „M. S.“ besaß die Klägerin keine Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG durch die zuständige Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht. Daher wurde der Vertrag als nichtig gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG angesehen (Rn. 11).
Implikationen und Bedeutung der Entscheidung
Diese Entscheidung des OLG Celle hat weitreichende Konsequenzen für die Rechtslage von Fernunterrichtsverträgen in Deutschland. Die Klarstellung, dass das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern Anwendung findet, stärkt den Schutz aller Lernenden, unabhängig von ihrem Status als Verbraucher oder Unternehmer. Dies ist besonders relevant in Zeiten zunehmender Digitalisierung und dem wachsenden Angebot von Online-Coachings und -Kursen.
Zukunftsausblick
Der Senat des OLG Celle erwägt, die Revision zuzulassen, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden wurde (Rn. 17). Die Entscheidung könnte somit auch in höheren Instanzen weiter diskutiert werden und letztlich zur Vereinheitlichung der Rechtslage beitragen.
Fazit
Der Beschluss des OLG Celle vom 29. Mai 2024 unterstreicht die Bedeutung des FernUSG als Schutzinstrument für alle Lernenden und hebt hervor, dass der Schutzbedarf nicht geringer ist, wenn der Lernende zu beruflichen Zwecken an einem Fernunterricht teilnimmt. Diese Entscheidung könnte maßgeblich dazu beitragen, die Qualität von Fernunterrichtsangeboten in Deutschland zu sichern und rechtliche Klarheit für Anbieter und Teilnehmer solcher Programme zu schaffen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
Telefon: 0751 / 27 088 530