Auskunftsansprüche in der privaten Krankenversicherung – Urteil des OLG Düsseldorf

Die Grenze der Stufenklage und der DSGVO – was bedeutet das Urteil für Versicherte und Prozessstrategen?

Am 21.11.2024 (Az. 6 U 114/23) hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eine Entscheidung zur Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung getroffen. Es ging um Auskunftsansprüche, die eine Klägerin aus abgetretenem Recht mehrerer Versicherungsnehmer gegen eine Versicherung geltend machte. Was ist passiert, und welche Lehren ziehen wir daraus?

Der Hintergrund des Falles

Die Klägerin, ein Forderungsaufkäufer, wollte mithilfe einer Stufenklage feststellen lassen, ob die Beitragserhöhungen der beklagten Versicherung formell rechtmäßig waren und gleichzeitig Zahlungsansprüche vorbereiten. Kern der Forderung war eine umfassende Auskunft über Prämieneinnahmen, Tarife und Erhöhungen für zahlreiche Versicherte.

Das Landgericht Wuppertal hatte die Klage bereits abgewiesen, und das OLG Düsseldorf bestätigte nun dieses Urteil: Die Stufenklage sei unzulässig, die geltend gemachten Auskunftsansprüche nicht begründet.

Warum scheiterte die Stufenklage?

Die Stufenklage nach § 254 ZPO ist ein beliebtes Mittel, um zunächst Informationen einzufordern und später bezifferte Forderungen geltend zu machen. Doch hier urteilte das Gericht: Die Stufenklage diente primär der Prüfung, ob überhaupt Ansprüche bestehen – und das ist unzulässig. Eine Stufenklage darf nicht dazu missbraucht werden, auf „gut Glück“ nach möglichen Ansprüchen zu suchen.

Die Klägerin konnte weder konkret darlegen, welche Unterlagen den Versicherungsnehmern fehlten, noch ausreichend begründen, warum die begehrte Auskunft notwendig war. Dies war ein Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zur Bestimmtheit der Klage.

Art. 15 DSGVO: Ein Datenschutzrecht für wirtschaftliche Ansprüche?

Ein weiteres Highlight des Urteils war die Frage, ob die Klägerin aus Art. 15 DSGVO einen Auskunftsanspruch geltend machen kann. Dieser Artikel gewährt Betroffenen das Recht, vom Verantwortlichen Informationen über ihre verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erhalten.

Das OLG Düsseldorf lehnte den Anspruch jedoch ab – und zwar aus zwei Gründen:

  1. Höchstpersönliches Recht: Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist höchstpersönlich. Er kann nicht an Dritte abgetreten werden, wie es hier durch die Klägerin versucht wurde.
  2. Rechtsmissbrauch: Selbst wenn der Anspruch übertragbar wäre, wurde er im vorliegenden Fall als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Die Klägerin wollte sich lediglich Informationen beschaffen, um wirtschaftliche Forderungen vorzubereiten. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht dient jedoch nicht als „Werkzeug“ für andere Zwecke, wie etwa die Vorbereitung von Rückzahlungsansprüchen.

Verjährung der Ansprüche

Zudem stellte das Gericht fest, dass mögliche Zahlungsansprüche bereits verjährt waren. Da die Klägerin keine bezifferten Forderungen rechtzeitig geltend gemacht hatte, konnten sie nicht mehr durchgesetzt werden. Ein weiteres Argument für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Auskunftsverlangens.

Fazit: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?

Das Urteil des OLG Düsseldorf setzt klare Grenzen für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen in der privaten Krankenversicherung:

  • Stufenklagen müssen präzise formuliert sein und dürfen nicht dazu dienen, wahllos nach möglichen Ansprüchen zu suchen.
  • Art. 15 DSGVO ist ein datenschutzrechtliches Instrument und kein „Allzweckmittel“ zur Vorbereitung von zivilrechtlichen Forderungen.
  • Verjährung bleibt ein wichtiger Punkt bei der Durchsetzung von Ansprüchen – schnelles Handeln ist essenziell.

Für Versicherte bedeutet das: Wer Beitragserhöhungen anfechten will, muss sorgfältig vorgehen und rechtzeitig handeln. Für Prozessanwälte zeigt das Urteil, dass die genaue Darlegung von Tatsachen und die Einhaltung prozessualer Pflichten entscheidend sind.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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