Das Urteil des Landgerichts Fulda (Az. 3 O 92/24) befasst sich mit einem spannenden und oft kontroversen Thema: der Übernahme einer Domain und den damit verbundenen „Altlasten“ wie negativen Online-Bewertungen. Die Klägerin, ein Unternehmen im Bereich Wintergartenbau, sah sich mit Kommentaren und Bewertungen konfrontiert, die sich nach eigenen Angaben nicht auf sie, sondern auf die insolvente Vorgängerfirma bezogen. Ihr Versuch, die Löschung dieser Inhalte zu erstreiten, blieb jedoch erfolglos.
Sachverhalt: Übernahme mit Tücken
Die Klägerin hatte im Rahmen eines Asset-Deals die Domain „n[…]wintergaerten.de“ aus der Insolvenzmasse der Vorgängerfirma erworben. Gleichzeitig versuchte sie, die Altlasten in Form von negativen Online-Bewertungen loszuwerden. Diese stammten nachweislich von Kunden der früheren Betreiberin, der mittlerweile insolventen NW-GmbH, die ähnliche Leistungen im selben Geschäftsfeld anbot.
Die Beklagte, eine Betreiberin einer Bewertungsplattform, weigerte sich jedoch, die Bewertungen zu löschen. Ihr Argument: Trotz der rechtlichen Trennung der beiden Unternehmen existieren zahlreiche Anknüpfungspunkte, die eine Zurechnung rechtfertigen. Dazu gehören die identische Adresse, personelle Kontinuität – der Geschäftsführer der Klägerin war auch bei der NW-GmbH maßgeblich tätig – und die Nutzung der Reputation der Vorgängerin für Marketingzwecke.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Fulda wies die Klage in allen Punkten ab. Es argumentierte, dass die Klägerin faktisch das Geschäft der NW-GmbH fortführe. Diese Verbindung rechtfertige es, dass auch Bewertungen über die Vorgängerfirma weiterhin öffentlich einsehbar bleiben. Wichtige Aspekte der Begründung:
- Kontinuität und Informationsinteresse:
Obwohl es rechtlich gesehen keine Nachfolge gibt, ist die faktische Fortsetzung des Betriebs für die Abwägung ausschlaggebend. Die Klägerin nutzt die Domain und verweist auf der eigenen Website sogar auf „25 Jahre Erfahrung“, was implizit die Geschäftstätigkeit der Vorgängerin einschließt. Damit steigt das berechtigte Interesse potenzieller Kunden, über die Vorgeschichte informiert zu sein. - Meinungsfreiheit der Bewertenden:
Die Bewertungen fallen unter den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). Sie sind durch tatsächliche Erfahrungen mit der NW-GmbH gestützt und stellen keine Schmähkritik dar. - Eigenes Risiko der Klägerin:
Das Gericht betonte, dass es der Klägerin freigestanden hätte, eine neue, unbelastete Domain zu wählen. Die Entscheidung für die „verbrannte“ Domain war ein kalkulierbares Risiko.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Das Urteil unterstreicht, dass bei der Übernahme einer Domain nicht nur technische und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden müssen, sondern auch rechtliche und reputationsbezogene Risiken. Entscheidet sich ein Unternehmen bewusst für eine Domain mit negativer Historie, kann es schwierig werden, sich von dieser Vergangenheit zu distanzieren.
Unternehmen sollten daher:
- Risiken evaluieren: Bestehen Altlasten wie negative Bewertungen oder schlechte PR, die übernommen werden könnten?
- Strategie anpassen: Mögliche Reputationsprobleme durch proaktive Kommunikation, z. B. durch einen Hinweis auf den Betreiberwechsel, minimieren.
- Domainwahl überdenken: In Fällen, in denen eine klare Trennung von der Vorgängerfirma gewünscht ist, könnte eine neue Domain die bessere Wahl sein.
Fazit
Das Urteil zeigt, dass rechtliche Trennung nicht immer bedeutet, dass auch in der öffentlichen Wahrnehmung eine klare Linie gezogen wird. Für Unternehmen, die Domains übernehmen, gilt es, ihre Kommunikationsstrategie sorgfältig zu planen, um Missverständnisse zu vermeiden. Gleichzeitig ist es wichtig, das Risiko negativer Bewertungen bereits vorab zu prüfen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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