EuGH entscheidet über den Schutz von Computerprogrammen – Klärung für die Software-Industrie

Am 17. Oktober 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil gefällt, das den Umfang des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen präzisiert. Im Mittelpunkt des Falles stand die Frage, ob die Veränderung von Variablen, die im Arbeitsspeicher eines Computers abgelegt sind, unter den Schutz der EU-Richtlinie 2009/24/EG fällt.

Der Hintergrund: Sony gegen Datel

Sony Computer Entertainment Europe Ltd. verklagte das britische Unternehmen Datel Design and Development Ltd., das Software entwickelte, die das Spielerlebnis auf Sonys PlayStation-Konsole veränderte. Datels „Action Replay PSP“-Software ermöglichte es, bestimmte Spielparameter zu manipulieren, wie zum Beispiel die unbeschränkte Nutzung des „Turbo“-Modus in einem Rennspiel.

Sony sah in dieser Nutzung eine Verletzung ihrer Urheberrechte. Ihrer Auffassung nach führte die Modifikation der Spielvariablen zu einer unerlaubten Umarbeitung ihrer geschützten Software. Datel hingegen argumentierte, dass ihre Software lediglich den Inhalt von Variablen im Arbeitsspeicher des Computers veränderte, ohne den Quell- oder Objektcode des Spiels zu beeinflussen.

Klärung durch den EuGH

Der EuGH wurde vom Bundesgerichtshof in Deutschland um eine Vorabentscheidung gebeten. Die zentrale Frage lautete: Fallen die im Arbeitsspeicher abgelegten Variablen, die während der Ausführung eines Programms genutzt und modifiziert werden, unter den urheberrechtlichen Schutz der Richtlinie 2009/24/EG?

Der Gerichtshof entschied, dass der Schutz nach der Richtlinie nicht den Inhalt von Variablen im Arbeitsspeicher eines Computers umfasst, es sei denn, diese Inhalte ermöglichen die Vervielfältigung oder spätere Entstehung des Programms. Nur der Quell- und Objektcode eines Programms sowie die Ausdrucksformen, die die Entstehung oder Reproduktion des Programms ermöglichen, fallen unter den Schutz der Richtlinie.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil verdeutlicht, dass nicht jede Veränderung, die während der Ausführung eines Programms erfolgt, eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Solange der Quell- oder Objektcode eines Programms nicht direkt verändert wird, sind Modifikationen, wie die von Datel vorgenommenen Änderungen an Variablen im Arbeitsspeicher, nicht als Umarbeitung im Sinne der Richtlinie anzusehen.

Für Softwareentwickler bietet diese Entscheidung mehr Klarheit darüber, in welchem Umfang ihre Programme geschützt sind. Es wird klargestellt, dass Ideen und Funktionen, die in einem Programm umgesetzt sind, nicht automatisch geschützt sind. Dieser Schutz bezieht sich in erster Linie auf den Quell- und Objektcode sowie auf Ausdrucksformen, die die Reproduktion des Programms ermöglichen.

Auswirkungen für die Software-Industrie

Das Urteil hat Auswirkungen auf die Rechteinhaber von Software, aber auch auf Unternehmen, die Zusatzprogramme oder Modifikationen für bestehende Software entwickeln. Es gibt den Entwicklern von Modifikationen oder zusätzlicher Software mehr Sicherheit, solange sie den geschützten Quell- oder Objektcode eines Programms nicht verändern. Andererseits zeigt das Urteil den Rechteinhabern die Grenzen ihres urheberrechtlichen Schutzes auf.

Fazit

Das Urteil des EuGH bringt eine wichtige Klärung im Bereich des Urheberrechtsschutzes für Computerprogramme. Es zeigt, in welchen Fällen der Schutz für Software greift und wann Veränderungen an Programmen zulässig sind. Das Urteil schafft somit Rechtssicherheit für Entwickler und Softwareunternehmen gleichermaßen.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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