Hintergrund des Falls
In den vorliegenden Fällen ging es um Anfragen von Gesellschaftern eines als Publikumskommanditgesellschaft organisierten Investmentfonds. Diese Gesellschafter forderten von den Treuhandgesellschaften, die die Anteile der Mitgesellschafter verwalteten, die Herausgabe der Kontaktdaten der anderen mittelbar beteiligten Gesellschafter. Sie wollten diese kontaktieren, um über den Kauf ihrer Anteile zu verhandeln oder um sich über anstehende Gesellschafterbeschlüsse abzustimmen.
Die Treuhandgesellschaften weigerten sich jedoch, die Daten herauszugeben, da in den Beteiligungsverträgen ausdrücklich festgelegt war, dass die Weitergabe der Kontaktdaten untersagt sei. Vor dem EuGH stellte sich die Frage, ob diese Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt werden kann.
1. Berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder Dritten (Rn. 49, 56–57)
Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten vorliegt. Der EuGH stellte fest, dass die Gesellschafter eines Investmentfonds grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran haben könnten, die Kontaktdaten ihrer Mitgesellschafter zu erhalten, um mit ihnen in Kontakt zu treten und gemeinsame Interessen, wie den Kauf von Anteilen oder Gesellschafterbeschlüsse, zu verfolgen. Das berechtigte Interesse ergibt sich hier aus der wirtschaftlichen Natur der Beteiligung an einem Investmentfonds.
2. Erforderlichkeit der Verarbeitung (Rn. 51–52)
Die Verarbeitung personenbezogener Daten muss jedoch auch zur Wahrung dieses berechtigten Interesses erforderlich sein. Hierzu führte der EuGH aus, dass das berechtigte Interesse nicht ausreichen darf, wenn es weniger eingriffsintensive Alternativen gibt. In diesem Fall sah der EuGH die Möglichkeit, dass die Gesellschafter ihre Anfragen direkt an den Investmentfonds richten könnten, der die Anfragen dann an die betroffenen Mitgesellschafter weiterleiten könnte. Dies würde es den Gesellschaftern ermöglichen, selbst zu entscheiden, ob sie den Kontakt aufnehmen möchten, was eine weniger eingriffsintensive Alternative zur direkten Weitergabe der Kontaktdaten darstellt.
3. Abwägung der Interessen (Rn. 53–55, 62–64)
Schließlich müssen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder Dritten gegen die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen abgewogen werden. Der EuGH betonte, dass hierbei die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen berücksichtigt werden müssen. In diesem Fall wies der EuGH darauf hin, dass die mittelbaren Gesellschafter vernünftigerweise nicht damit rechnen konnten, dass ihre personenbezogenen Daten an andere Gesellschafter weitergegeben würden, da dies vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen war.
Fazit
Der EuGH kam zu dem Schluss, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Gesellschafter in diesen Fällen nicht durch Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt war. Die berechtigten Interessen der anfragenden Gesellschafter überwiegen nicht die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere da es weniger eingriffsintensive Alternativen gibt.