Am 30. Mai 2024 fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU, die die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen regelt. Das Urteil erging im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Berlin, das sich mit einem Rechtsstreit zwischen den Vermietern VT und UR und der Conny GmbH beschäftigte (C-400/22).
Kurz und knapp: Der Bestell-Button oder die entsprechende Funktion bei Online-Bestellungen muss eindeutig darauf hinweisen, dass der Verbraucher eine Zahlungsverpflichtung eingeht, wenn er darauf klickt. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlungsverpflichtung noch vom Eintritt einer weiteren Bedingung abhängt.
Hintergrund des Falls
Die Conny GmbH bietet Mietern an, über ihre Webseite Geschäftsbesorgungsverträge abzuschließen, um Ansprüche aus überhöhten Mietzahlungen gegenüber Vermietern geltend zu machen. Mieter müssen dafür die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren und eine Schaltfläche auf der Webseite anklicken. Die Vergütung der Conny GmbH erfolgt nur bei erfolgreicher Durchsetzung der Ansprüche oder nach Versand einer Mahnung an den Vermieter. Die Vermieter argumentierten, dass die Informationspflichten gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU und § 312j Abs. 3 und 4 BGB nicht eingehalten wurden, wodurch der Vertrag nichtig sei.
Entscheidungsgründe des EuGH
Der EuGH prüfte, ob die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU festgelegten Informationspflichten auch dann gelten, wenn die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers erst nach Erfüllung weiterer Bedingungen eintritt.
Auslegung des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Informationspflichten des Unternehmers immer dann gelten, wenn eine Zahlungsverpflichtung mit dem Vertrag verbunden ist, unabhängig davon, ob diese unmittelbar oder bedingt eintritt (Rn. 42-48). Der Unternehmer muss den Verbraucher klar und deutlich darauf hinweisen, dass die Bestellung eine Zahlungsverpflichtung nach sich zieht. Diese Information muss unmissverständlich und gut lesbar unmittelbar vor Abschluss der Bestellung erfolgen.
Ziel und Kontext der Richtlinie
Der EuGH betonte, dass die Richtlinie darauf abzielt, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, indem Verbraucher umfassend informiert werden, bevor sie eine Zahlungsverpflichtung eingehen (Rn. 49-51). Die Pflicht zur Nutzung klarer Formulierungen wie „zahlungspflichtig bestellen“ stellt sicher, dass Verbraucher die finanziellen Konsequenzen ihrer Bestellung vollständig verstehen.
Konsequenzen bei Nichtbeachtung
Verstößt ein Unternehmer gegen diese Informationspflicht, ist der Verbraucher an den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden (Rn. 54). Der Verbraucher kann jedoch entscheiden, die Wirkungen des Vertrags nach Erhalt der fehlenden Informationen aufrechtzuerhalten.
Auswirkungen auf die Praxis
Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung klarer und unmissverständlicher Informationen bei Fernabsatzverträgen. Unternehmer müssen sicherstellen, dass Verbraucher ausdrücklich bestätigen, dass ihre Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist, unabhängig davon, ob diese sofort oder erst nach Erfüllung weiterer Bedingungen fällig wird. Unternehmen sollten ihre Bestellprozesse überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um den Anforderungen der Richtlinie 2011/83/EU und den nationalen Umsetzungsgesetzen zu entsprechen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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