Urteil des LG Darmstadt vom 12.06.2024, Az. 2 O 18/24
Diese Urteil reiht sich in die Entscheidungen des LG Memmingen und LG Ulm ein, wonach es nicht ausreichend ist, bloße Leerformeln zu nutzen und einen Datenschutzverstoß zu behaupten. Es muss nach der Rechtsprechung des EuGH auch ein – wenn auch noch so geringer Schaden – entstanden und vor allem auch bewiesen werden. Viele fallen aber noch auf die vollmundigen Versprechen und die Aussicht auf das schnelle Geld herein.
Sachverhalt
Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz, Unterlassung und Erstattung der Rechtsverfolgungskosten wegen angeblicher Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Persönlichkeitsrechte. Die Beklagte, ein Telekommunikationsdienstleister, hatte im Rahmen eines Mobilfunkvertrags des Klägers Daten an die SCHUFA Holding AG übermittelt.
Am 06.11.2023 erhielt der Kläger eine SCHUFA-Auskunft, die diese Datenübermittlung bestätigte. Die SCHUFA kündigte am 19.10.2023 an, dass sie die übermittelten Telekommunikationsdaten löschen werde. Der Kläger fühlte sich durch die Datenübermittlung in seiner informationellen Selbstbestimmung verletzt und hatte große Sorgen um seine Bonität.
Am 12.12.2023 forderten die Anwälte des Klägers die Beklagte zur Schadensersatzleistung und Unterlassung auf, jedoch ohne Erfolg. Der Kläger behauptet, dass er seit der Datenübermittlung unter einem Gefühl des Kontrollverlustes und Existenzängsten leidet. Die Beklagte hingegen argumentiert, dass die Datenverarbeitung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften erfolgte.
Gerichtliche Entscheidung
1. Zulässigkeit der Klage:
- Das LG Darmstadt ist sachlich und örtlich zuständig.
- Der Klageantrag auf Unterlassung ist hinreichend bestimmt.
- Das Feststellungsinteresse ist gegeben.
2. Begründetheit der Klage:
- Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO besteht nicht, da kein kausaler Schaden nachgewiesen wurde.
- Die Übermittlung der Vertragsdaten war gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt, da ein berechtigtes Interesse vorlag und keine überwiegenden Interessen des Klägers entgegenstanden.
- Der Antrag auf Unterlassung ist unbegründet, da keine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt.
- Der Antrag auf Feststellung zukünftiger Schäden ist unbegründet, da keine konkreten Hinweise auf solche Schäden vorliegen.
- Der Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist unbegründet, da die Hauptanträge abgewiesen wurden.
Auswirkungen für die Praxis
Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Datenschutzverstößen ein konkreter und kausal auf den Verstoß zurückzuführender Schaden nachgewiesen werden muss, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Allgemeine Ängste und Befürchtungen reichen nicht aus.
Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Datenverarbeitungsprozesse den Anforderungen der DSGVO entsprechen und dass sie berechtigte Interessen nachweisen können, wenn sie personenbezogene Daten an Dritte übermitteln. Eine pauschale Einwilligung des Betroffenen sollte vermieden werden; stattdessen ist eine sorgfältige Prüfung der Rechtsgrundlagen erforderlich.
Auch bei Unterlassungsklagen ist eine präzise und spezifische Formulierung der Anträge notwendig. Zu weit gefasste Verbote sind in der Regel nicht durchsetzbar. Unternehmen müssen ihre Datenverarbeitungsprozesse transparent und rechtlich abgesichert gestalten, um rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen.
Insgesamt stärkt dieses Urteil die Position der Unternehmen, indem es klarstellt, dass Vermutungen und allgemeine Ängste ohne konkrete Nachweise keinen Schadensersatzanspruch rechtfertigen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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