In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat das Landgericht (LG) Ravensburg, Urteil vom 20.6.2024, AZ 4 O 91/24 die Klage eines Zeitsoldaten gegen ein Telekommunikationsunternehmen abgewiesen. Der Kläger hatte Schadensersatz, Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen der unrechtmäßigen Übermittlung seiner personenbezogenen Daten an die SCHUFA gefordert.
Hintergrund des Falls
Der Kläger, geboren am 18.04.1993, hatte am 19.03.2019 einen Mobilfunkvertrag mit der Beklagten abgeschlossen. Im Zuge dessen wurde er über die Datenschutzerklärung der Beklagten informiert, die eine Übermittlung von Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien wie die SCHUFA beinhaltete. Diese Positivdaten umfassten unter anderem Name, Adresse, Geburtsdatum und Vertragsdaten, nicht jedoch die Telefonnummer.
Im Oktober 2023 entschied die SCHUFA, die übermittelten Telekommunikationsdaten zu löschen. Daraufhin forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro und die Unterlassung weiterer Datenübermittlungen ohne seine Einwilligung. Er argumentierte, dass die Übermittlung unrechtmäßig und nicht durch berechtigte Interessen gedeckt gewesen sei, was bei ihm zu einem Gefühl des Kontrollverlusts und existenzieller Angst geführt habe.
Klageanträge des Klägers
- Schadensersatz:
- Antrag: Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihm Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in Höhe von mindestens 5.000 Euro zu zahlen.
- Begründung: Der Kläger führte aus, dass die Beklagte gegen Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO verstoßen habe, da die Übermittlung der personenbezogenen Daten an die SCHUFA Holding AG unrechtmäßig erfolgt sei. Er habe durch die unberechtigte Datenübermittlung einen erheblichen Kontrollverlust und daraus resultierende existenzielle Ängste erlitten.
- Unterlassung:
- Antrag: Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, Positivdaten des Klägers ohne dessen Einwilligung an Kreditauskunfteien wie die SCHUFA zu übermitteln.
- Begründung: Der Kläger argumentierte, dass eine erneute unbefugte Übermittlung seiner personenbezogenen Daten verhindert werden müsse, da die bisherige Praxis der Beklagten seine Rechte aus der DSGVO verletze. Er forderte ein generelles Verbot solcher Datenübermittlungen ohne ausdrückliche Einwilligung.
- Feststellung:
- Antrag: Der Kläger beantragte, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die durch die unbefugte Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten entstehen könnten.
- Begründung: Der Kläger machte geltend, dass die Möglichkeit zukünftiger Schäden bestehe, da seine personenbezogenen Daten weiterhin in den Händen Dritter sein könnten. Diese Unsicherheit rechtfertige eine Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden.
- Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten:
- Antrag: Der Kläger beantragte die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro.
- Begründung: Der Kläger argumentierte, dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe notwendig gewesen sei, um seine Rechte gegenüber der Beklagten zu wahren und dass diese Kosten daher von der Beklagten zu tragen seien.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht wies die Klage im Wesentlichen aus folgenden Gründen ab:
- Klageantrag Ziffer 3: Dieser Antrag wurde als unzulässig abgewiesen, da er nicht den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen entsprach und dem Kläger das notwendige Feststellungsinteresse fehlte.
- Klageantrag Ziffer 1 (Schadensersatz): Der Kläger konnte keinen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nachweisen. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger trotz der Einmeldung seiner Positivdaten einen sehr guten SCHUFA-Score hatte und keine konkreten negativen Folgen erlitten hatte. Das Gefühl des Kontrollverlusts reichte nicht aus, um einen immateriellen Schaden zu begründen.
- Klageantrag Ziffer 2 (Unterlassung): Der Antrag war zu weit gefasst und bezog sich auf ein allgemeines Verbot der Datenübermittlung ohne Einwilligung. Das Gericht hielt es für möglich, dass es künftige Fälle geben könnte, in denen eine Übermittlung datenschutzrechtlich zulässig ist. Zudem war keine Wiederholungsgefahr ersichtlich, da keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger erneut einen Telekommunikationsvertrag mit der Beklagten abschließen würde.
- Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: Mangels Erfolg in der Hauptsache waren auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen unbegründet.
Fazit
Dieses Urteil verdeutlicht, dass der Nachweis eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine substanzielle Beweislast erfordert. Ein bloßes Gefühl des Kontrollverlusts ohne konkrete negative Folgen reicht nicht aus. Zudem zeigt es die Grenzen von Unterlassungsansprüchen im Datenschutzrecht auf, insbesondere wenn Anträge zu weit gefasst und nicht hinreichend bestimmt sind.
Für Unternehmen und betroffene Personen ist dieses Urteil ein wichtiger Hinweis auf die Bedeutung einer präzisen Formulierung von Datenschutzansprüchen und die Notwendigkeit, konkrete Nachweise für immaterielle Schäden zu erbringen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
Telefon: 0751 / 27 088 530