Oberlandesgericht Nürnberg: Keine Rückerstattung für Coachingvertrag – Unternehmer nicht immer durch Fernunterrichtsgesetz geschützt

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat im Rechtsstreit zwischen einer Klägerin, die im Bereich Coaching tätig ist, und der Copecart GmbH als Beklagte entschieden. Dabei ging es um die Rückerstattung der von der Klägerin gezahlten Vergütung in Höhe von 21.420 €, die sie nach Beendigung eines Coachingvertrags zurückforderte. Die Klägerin war beim Landgericht Nürnberg-Fürth zunächst erfolgreich und erhielt dort ein Versäumnisurteil, das die Beklagte zur Rückzahlung verurteilte. Nach Einspruch der Beklagten hob das Oberlandesgericht Nürnberg dieses Urteil jedoch auf und wies die Klage endgültig ab.

Ausgangslage und Vertragsgegenstand

Die Klägerin hatte über die Plattform der Beklagten, Copecart GmbH, eine Coachingdienstleistung gebucht, die von einem Drittanbieter erbracht wurde. Die Copecart GmbH fungierte dabei als Plattformbetreiber und Wiederverkäufer von Coachingdienstleistungen, führte jedoch selbst keine Coachings durch. Der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Coach kam über die Copecart-Plattform zustande, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin in einem telefonischen Informationsgespräch zu den Dienstleistungen informiert worden war und über einen Link zur Zahlungsseite von Copecart gelangte. Die Coachingdienstleistung umfasste mehrere Module zu Marketing- und Vertriebstechniken, insbesondere zum Aufbau von Funnel-Systemen, die Kunden zu wertvollen Käufern führen sollen. Teil des Coachings waren persönliche Einzelgespräche, wöchentliche Telefon- und Video-Sitzungen sowie Unterstützung per E-Mail.

Argumentation der Klägerin

Die Klägerin forderte die Rückzahlung der bereits gezahlten Beträge und argumentierte, dass der Coachingvertrag nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig sei, da Copecart keine Zulassung als Fernunterrichtsanbieter habe. Ferner erklärte sie die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung, da sie nach eigener Darstellung über die Identität des Vertragspartners getäuscht worden sei und annahm, der Coach selbst wäre Vertragspartner.

Entscheidung des Gerichts

  1. Keine Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) Das Oberlandesgericht stellte klar, dass das FernUSG grundsätzlich nur für Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern gilt, da es dem Schutz der Verbraucher dient. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um einen Vertrag zwischen zwei Unternehmen. Das FernUSG wurde vom Gesetzgeber explizit als Verbraucherschutzmaßnahme eingeführt, was auch durch verschiedene Parlamentsdokumente untermauert ist. Die Anwendung des Gesetzes auf Verträge zwischen Unternehmern würde diesem Zweck widersprechen.
  2. Merkmale eines Fernunterrichtsvertrags nicht erfüllt Selbst wenn das FernUSG anwendbar wäre, hätte der Coachingvertrag die Bedingungen eines Fernunterrichtsvertrags im Sinne des FernUSG nicht erfüllt. Nach der Definition des Gesetzes handelt es sich nur dann um Fernunterricht, wenn die Vermittlung der Inhalte hauptsächlich räumlich getrennt stattfindet und eine Überwachung des Lernerfolgs vereinbart ist.
    • Räumliche Trennung: Die Klägerin konnte nicht belegen, dass die Inhalte der Coachingdienstleistung hauptsächlich über räumlich getrennte Medien vermittelt wurden. Die Beklagte legte dar, dass ein erheblicher Anteil des Coachings über Video- und Telefonkonferenzen als präsenzähnliche Online-Meetings stattfand, bei denen ein direkter, synchroner Austausch zwischen Coach und Kunde möglich war. Diese Form des Austauschs erfüllt die Anforderungen an eine räumliche Trennung gemäß FernUSG nicht.
    • Überwachung des Lernerfolgs: Ein wesentliches Merkmal eines Fernunterrichtsvertrags ist laut Gesetz die Überwachung des Lernerfolgs. Dies bedeutet, dass der Coach verpflichtet ist, den Fortschritt des Kunden zu kontrollieren. Eine solche vertragliche Verpflichtung zur Lernkontrolle lag im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Der Vertrag beinhaltete zwar eine Möglichkeit, dass die Klägerin im Rahmen des Coachings Fragen stellen konnte; dies stellt jedoch keine echte Lernkontrolle dar. Das Gericht führte aus, dass die Gelegenheit, Fragen zu stellen, nicht mit einer formellen Überwachung des Lernerfolgs gleichzusetzen sei.
  3. Keine Rückerstattung aufgrund von Anfechtung wegen Täuschung Die Klägerin hatte den Vertrag zusätzlich wegen arglistiger Täuschung angefochten und behauptet, sie sei über den Vertragspartner getäuscht worden. Sie ging nach eigener Darstellung davon aus, dass der Coach selbst Vertragspartner sei und nicht die Copecart GmbH. Das Gericht wies diesen Anspruch ab, da die Klägerin offenkundig wusste, dass der Vertragspartner die Copecart GmbH war – dies war in den Vertragsunterlagen klar zu erkennen. Zudem hatte die Klägerin die gesetzlich vorgeschriebene Frist für die Anfechtung aus Gründen der Täuschung nicht eingehalten.
  4. Kostenentscheidung und Verfahrensfolgen Das Oberlandesgericht entschied weiter, dass die Klägerin die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützte sich auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Revision ließ das Gericht nicht zu, da die Anforderungen für eine Zulassung nicht vorlagen. Trotz unterschiedlicher Meinungen in der Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer sah das Gericht keine Notwendigkeit für eine höchstrichterliche Klärung, da die Frage im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich war.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil verdeutlicht, dass das FernUSG als Verbraucherschutzgesetz auf Verträge zwischen Unternehmern nicht anwendbar ist und dass Coachingdienstleistungen, die über präsenzähnliche Online-Meetings durchgeführt werden, die Anforderungen eines Fernunterrichtsvertrags im Sinne des FernUSG nicht erfüllen. Unternehmen, die als Plattform für Coachings agieren, sind somit vor Rückerstattungsansprüchen geschützt, wenn der Vertrag zwischen Unternehmern geschlossen wurde und die Kriterien für Fernunterricht nicht erfüllt sind.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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