Amtliche Leitsätze der Entscheidung:
- Die Erkennbarkeit einer Person durch eine Äußerung setzt deren Namensnennung nicht voraus, es genügt vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen, aufgrund derer der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises erkannt werden; auf den „Durchschnittsempfänger“ kommt es insofern nicht an.
- Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Unterlassungsantrag ist nicht gegeben, wenn eine kerngleiche Verpflichtung bereits in einem Prozessvergleich enthalten ist, den der Antragsteller vollstrecken könnte.
OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Beschluss vom 23. April 2024, Az.: 4 W 213/24
Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom 23. April 2024, Aktenzeichen 4 W 213/24, befasst sich mit einem Unterlassungsbegehren im Zusammenhang mit Äußerungen auf der Social-Media-Plattform TikTok. Der Antragsteller, der unter dem Pseudonym „Mr.K“ auftritt, verlangte von der Antragsgegnerin, weitere Äußerungen über ihn zu unterlassen. Der Fall beleuchtet wesentliche Aspekte des Persönlichkeitsrechts und die Durchsetzbarkeit von Unterlassungsansprüchen in der Praxis.
Tatbestand
Der Antragsteller tritt auf TikTok unter dem Pseudonym „Mr.K“ auf, während die Antragsgegnerin unter dem Namen „A……“ aktiv ist. Zwischen den Parteien kam es in der Vergangenheit bereits zu rechtlichen Auseinandersetzungen, die in einem Prozessvergleich endeten. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Antragsgegnerin, keine Äußerungen mehr über den Antragsteller zu tätigen.
Am 20. Februar 2024 äußerte sich die Antragsgegnerin in einem Livestream auf TikTok in einer Weise, die der Antragsteller als persönlichkeitsverletzend empfand. Sie beschuldigte ihn und andere Personen, Rachepläne gegen sie zu schmieden, die Gewaltandrohungen und andere schwerwiegende Behauptungen enthielten.
Entscheidungsgründe
Erkennbarkeit der Person
Das OLG Dresden stellte fest, dass der Antragsteller durch die Äußerungen der Antragsgegnerin identifizierbar dargestellt wurde. Dabei sei es unerheblich, ob der Durchschnittsempfänger die betroffene Person erkennen könne. Es genüge, dass Personen, die über spezifische Kenntnisse verfügen, in der Lage seien, die betroffene Person zu identifizieren.
Persönlichkeitsverletzung
Die Äußerungen der Antragsgegnerin wurden als erhebliche Persönlichkeitsverletzung eingestuft. Diese Aussagen beinhalteten schwerwiegende Vorwürfe und waren geeignet, das Ansehen des Antragstellers erheblich zu beschädigen.
Rechtsschutzbedürfnis
Das Gericht lehnte den Antrag jedoch ab, da dem Antragsteller bereits durch den bestehenden Prozessvergleich ein geeigneter Rechtsschutz zur Verfügung stehe. Der Vergleich sah bereits umfassende Unterlassungspflichten vor, die die streitgegenständlichen Äußerungen abdeckten. Der Antragsteller hätte somit aus dem Vergleich vollstrecken können, ohne ein neues Verfahren anzustrengen.
Rechtliche Einschätzung und Auswirkungen für die Praxis
Der Beschluss des OLG Dresden verdeutlicht die Bedeutung bestehender Prozessvergleiche bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen. Wenn bereits eine kerngleiche Verpflichtung in einem Vergleich enthalten ist, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für einen neuen Unterlassungsantrag.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Kläger sorgfältig prüfen müssen, ob sie bereits über einen vollstreckbaren Titel verfügen, bevor sie neue Anträge stellen. Dies spart nicht nur Gerichtskosten, sondern vermeidet auch unnötige Verfahren. Zudem unterstreicht der Beschluss die Notwendigkeit, die Erkennbarkeit einer Person auch bei indirekten oder umschreibenden Äußerungen zu berücksichtigen, was insbesondere im Kontext von Social Media von großer Bedeutung ist.
Insgesamt stellt dieser Beschluss eine wichtige Klarstellung dar, wie weitreichend Unterlassungsverpflichtungen in Vergleichsvereinbarungen gefasst sein können und welche Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung daraus resultieren.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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