OLG Karlsruhe: Plattformbetreiber muss alte Sperrvermerke löschen

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 15.01.2025, Az. 14 U 150/23) die Rechte von Nutzern sozialer Netzwerke gestärkt. Die Richter entschieden, dass Plattformbetreiber alte Sperr- und Löschvermerke aus den Nutzerdaten entfernen müssen, wenn diese keinen aktuellen Zweck mehr erfüllen. Gleichzeitig bestätigte das Gericht, dass eine sofortige Sperrung eines Kontos ohne vorherige Anhörung zulässig sein kann, wenn schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen – in diesem Fall die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte durch unbekannte Dritte.

Der Fall: Konto gesperrt, Daten blieben gespeichert

Die Klägerin, seit 2008 Nutzerin eines sozialen Netzwerks, wurde im September 2022 von einer Kontosperrung überrascht. Grund dafür war, dass Unbekannte über ihr Konto kinderpornographische Inhalte verbreitet hatten. Die Plattformbetreiberin reagierte umgehend und deaktivierte das Konto – allerdings ohne vorherige Anhörung der Klägerin. Nach anwaltlicher Intervention wurde das Konto zwar wiederhergestellt, doch die Sperrvermerke blieben in der Nutzerdatenbank erhalten.

Die Klägerin wollte diese Vermerke gelöscht wissen, da sie keinen Bezug mehr zur Realität hätten und ihr zukünftige Einschränkungen drohten. Zudem verlangte sie eine gerichtliche Feststellung, dass die Sperrung ihres Kontos rechtswidrig war, sowie eine generelle Unterlassung weiterer Sperrungen ohne vorherige Anhörung.

Entscheidung des OLG Karlsruhe: Teilweise Erfolg für die Klägerin

Das OLG Karlsruhe stellte klar:

Löschung der Sperrvermerke: Die Plattformbetreiberin muss die Vermerke aus dem Datensatz der Klägerin entfernen. Der ursprüngliche Zweck dieser Datenverarbeitung – die Überprüfung einer möglichen Pflichtverletzung – sei weggefallen. Eine Speicherung könne nicht mit einer rein theoretischen Möglichkeit künftiger Ansprüche gerechtfertigt werden (Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO).

Keine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperre: Das Gericht lehnte eine solche Feststellung ab. Es sei zulässig, Konten ohne vorherige Anhörung zu sperren, wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwere Rechtsverletzung vorliegt. Die Beklagte durfte daher das Nutzerkonto vorübergehend deaktivieren, um den Vorfall zu prüfen.

Kein genereller Unterlassungsanspruch: Die Klägerin kann nicht verlangen, dass sie in Zukunft vor jeder Sperrung oder Deaktivierung angehört wird. Der BGH habe bereits entschieden, dass eine vorherige Anhörung nur im Regelfall erforderlich sei, aber nicht ausnahmslos.

Datenschutz und Plattformregeln – eine Frage der Verhältnismäßigkeit

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Datenschutzes für Nutzer sozialer Netzwerke. Während Plattformbetreiber verpflichtet sind, illegale Inhalte konsequent zu entfernen und Maßnahmen zu ergreifen, dürfen sie keine personenbezogenen Daten unbegrenzt speichern, wenn der ursprüngliche Zweck entfallen ist.

Für Nutzer bedeutet dies: Werden sie zu Unrecht gesperrt, haben sie zumindest das Recht, alte Sperrvermerke löschen zu lassen. Plattformbetreiber müssen daher genau abwägen, welche Nutzerdaten sie über längere Zeit speichern.

Fazit

Das OLG Karlsruhe hat klargestellt, dass eine schnelle Sperrung bei Verdacht auf gravierende Verstöße zulässig sein kann – allerdings mit Einschränkungen beim langfristigen Umgang mit Nutzerdaten. Plattformbetreiber müssen inaktive Sperrvermerke aus Nutzerdatensätzen entfernen, sofern kein berechtigtes Interesse an der Speicherung mehr besteht.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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