OLG Koblenz: Auch hier keine Löschung der Insolvenzdaten nach 6 Monaten

Ebenfalls wie das OLG Hamburg sieht auch das OLG Koblenz mit Urteil vom 29.9.2022 – 12 U 450/22 keinen Grund dafür, die Löschfrist des § 3 Abs. 1 InsbekV auf Speicherungen einer Restschuldbefreiung durch Auskunfteien anzuwenden.

Auch das OLG Koblenz sieht wie das OLG Hamburg ein berechtigtes Interesse der Auskunftei bzw. deren Kunden an einer weitergehenden Speicherung dieser Insolvenzdaten:

Die Bekl. ist nicht gem. Art. 17 Abs. 1 lit. d DS-GVO zur Löschung der Informationen über die Erteilung der Restschuldbefreiung des Kl. verpflichtet. Die Speicherung und Weitergabe der Daten durch die Bekl. war rechtmäßig, weil sie gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zulässig war und bis zum 27.5.2023 weiterhin ist. Denn es bestand (und besteht) ein berechtigtes Interesse (jedenfalls) der Vertragspartner der Bekl. iSv Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO an der Datenverarbeitung, das die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Kl. im vorliegenden Fall überwiegt.

Die bei der Bekl. gespeicherten Informationen sind für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit möglicher Vertragspartner essenziell, weil die Kreditgeber ansonsten ausschließlich auf die Selbstauskunft ihrer Kreditnehmer angewiesen sind. Damit dient die Verarbeitung der Daten dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potenziellen Vertragspartners zu ermöglichen, was im Ergebnis den Interessen aller Kreditgeber sowie aller solventen Kreditnehmer zu Gute kommt, indem das Risiko eines Kreditausfalls durch eine gezielte Kreditvergabe minimiert wird (vgl. OLG Oldenburg Urt. v. 23.11.2021 – 13 U 63/21 [= ZD 2022, 103] Rn. 13 ff.; OLG Köln Urt. v. 27.1.2022 – 15 U 153/21 [= ZD 2022, 233] Rn. 31 ff.). Ebenso wie das OLG Köln und das OLG Oldenburg teilt der Senat nicht die Auffassung des OLG Schleswig (Urt. v. 2.7.2021 – 17 U 15/21 [= ZD 2021, 584] Rn. 62 ff.) wonach die Belange der Vertragspartner der Bekl. eine Datenverarbeitung nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen vermögen, weil die Prüfung eines berechtigten Interesses „Dritter“ so lange nicht (tragfähig) möglich sei, so lange kein Dritter mit einer konkreten vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehung zum Kl. und dessen Interessen an einer etwaigen Verarbeitung bekannt sei, da allein die abstrakte Möglichkeit, dass sich in Zukunft jemand finden könne, für den die Information der Restschuldbefreiung von Interesse sein könne, nicht zur Annahme eines berechtigten Interesses einer Speicherung der Daten führe. Nach Auffassung des Senats ist es vielmehr ausreichend, dass es sich bei der dargelegten Interessenlage auf Seiten der Vertragspartner der Bekl. um eine typischerweise im Fall der Kreditgewährung regelmäßig auftretende Interessenlage handelt. Die Bekl. hat – von Seiten des Kl. nur pauschal und insofern unsubstanziiert bestritten – dargelegt, dass sie die von ihr erhobenen Daten ausschließlich an ihre Vertragspartner auf konkrete Nachfrage und nach Geltendmachung eines berechtigten Interesses bzw. anschließend als sog. Nachmeldung an eben diesen Personenkreis zur Verfügung stellt. Jedenfalls ist hier das „berechtigte Interesse“ eines potenziellen Kreditgebers zum Zeitpunkt der Speicherung der Daten durch die Bekl. hinreichend feststellbar. Ob die Übermittlung der Informationen durch die Bekl. im konkreten Einzelfall an Vertragspartner erfolgen durfte, ist hier nicht zu entscheiden. Der Senat schließt sich insoweit der vom OLG Köln, OLG Oldenburg, KG (Urt. v. 15.2. 2022 – 27 U 51/21 [= ZD 2022, 335]), OLG Stuttgart (Urt. v. 10.8.2022 – 9 U 24/22) und OLG Dresden (Urt. v. 30.8.2022 – 4 U 243/22) vertretenen Auffassung an, dass allein das typische Interesse eines zumindest schon bestimmbaren Personenkreises in der Situation einer potenziellen Kreditgewährung im Grundsatz die Datenverarbeitung und auch das weitere Vorhalten der Informationen iSv Art. 6 Abs. 1 S. 2 lit. f DS-GVO zu rechtfertigen vermag (vgl. OLG Köln aaO Rn. 33). Die abweichende Auffassung des OLG Schleswig erscheint dem Senat im Massengeschäft und unter dem Gesichtspunkt, dass die Datenerhebung nicht nur den einzelnen Interessen, sondern letztlich auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Kreditvergabe dient, weder praktikabel noch angemessen.

OLG Koblenz, a.a.O

Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Es muss sich also gerade nicht nur um die berechtigten Interessen der Wirtschaftsauskunftei handeln, sondern es kann auch das berechtigte Interesse der abrufenden Unternehmen, also des Dritten sein.

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.

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