Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hat am 05.07.2024 (Az.: 19 U 65/24) eine Entscheidung über die Wirksamkeit eines sogenannten Mentoring-Vertrags getroffen. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob ein Mentoring-Vertrag als wucherähnlich und sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB einzustufen ist und ob das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auf diesen Vertrag anwendbar ist.
Hintergrund des Falls
Der Beklagte, ein Unternehmer, hatte mit der Klägerin, einer Anbieterin von Mentoring-Programmen, einen zwölfmonatigen Vertrag abgeschlossen. Der Preis für das Programm betrug 60.000 Euro netto, zahlbar in zwölf Monatsraten à 5.000 Euro. Im Kern handelte es sich um die Vermittlung von Erfahrungswissen im Rahmen von Online-Meetings sowie Präsenzveranstaltungen.
Nach der Zahlung von drei Monatsraten stellte der Beklagte die Zahlungen ein und machte geltend, dass der Vertrag sittenwidrig und daher nichtig sei. Das Landgericht Kiel hatte den Vertrag als wucherähnliches Geschäft eingestuft und die Klage der Klägerin auf Zahlung weiterer 17.850 Euro abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein
Das OLG Schleswig-Holstein hob das erstinstanzliche Urteil auf und entschied zugunsten der Klägerin. Der Beklagte wurde zur Zahlung der offenen Beträge verurteilt. Das Gericht verneinte sowohl die Sittenwidrigkeit des Vertrags als auch die Anwendbarkeit des FernUSG.
Frage der Lernerfolgskontrolle
Ein zentraler Punkt des Urteils war die Frage, ob das FernUSG auf den Mentoring-Vertrag anwendbar ist. Das FernUSG stellt strenge Anforderungen an den Fernunterricht, insbesondere eine räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem sowie die Überwachung des Lernerfolgs (§ 1 Abs. 1 FernUSG).
Keine ausreichende Lernerfolgskontrolle
Das OLG stellte fest, dass im vorliegenden Fall keine hinreichende Lernerfolgskontrolle gegeben war, um den Vertrag als Fernunterricht im Sinne des FernUSG einzustufen. Zwar bot die Klägerin den Teilnehmern die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Rückmeldungen zu erhalten, dies reichte jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um eine formale Lernerfolgskontrolle zu begründen.
Das Gericht führte aus, dass eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs erforderlich sei, um das FernUSG anzuwenden. Eine bloße Klärung von Verständnisfragen, wie sie im Rahmen des Mentoring-Programms erfolgte, reiche nicht aus. Nach dem FernUSG müsse der Lernerfolg objektiv überprüft und kontrolliert werden, beispielsweise durch Prüfungen oder festgelegte Leistungskontrollen. Solche Maßnahmen waren im Mentoring-Programm der Klägerin jedoch nicht vorgesehen.
Abgrenzung zu Universitätskursen
Das Gericht hob zudem hervor, dass Mentoring-Programme nicht mit klassischen Fernstudiengängen, etwa von Universitäten, gleichgesetzt werden könnten. Während Universitätskurse auf die Vermittlung von Grundlagenwissen und den Erwerb staatlich anerkannter Abschlüsse abzielen, seien Mentoring-Programme wie das der Klägerin auf den schnellen individuellen Erfolg und die persönliche Entwicklung ausgerichtet. Diese Programme basierten oft auf der Persönlichkeit und dem Erfahrungswissen des Mentors, ohne dass eine formale Wissensüberprüfung stattfand.
Sittenwidrigkeit des Vertrags verneint
Das OLG verneinte auch die Sittenwidrigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB. Zwar wurde der Preis des Mentoring-Programms als hoch angesehen, doch sah das Gericht darin kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Beklagte hatte nicht dargelegt, dass der Wert der erbrachten Leistungen der Klägerin erheblich unter dem vereinbarten Preis lag. Zudem hob das Gericht hervor, dass sich der Beklagte als erfahrener Unternehmer auf den Vertrag eingelassen hatte und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass die Klägerin seine Unerfahrenheit oder Notlage ausgenutzt habe.
Fazit
Das Urteil des OLG Schleswig-Holstein unterstreicht, dass nicht jedes Mentoring- oder Coaching-Programm, das auf die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten abzielt, den strengen Regelungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes unterliegt. Entscheidend ist, ob eine individuelle Lernerfolgskontrolle stattfindet, was im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Zudem wurde klargestellt, dass Mentoring-Verträge, die auf den persönlichen Erfolg und die Weitergabe von Erfahrungswissen abzielen, nicht mit klassischen Fernunterrichtsangeboten verglichen werden können.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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