Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat mit Urteil vom 29.08.2024 (Az.: 13 U 176/23) eine wichtige Entscheidung im Bereich des Fernunterrichtsrechts getroffen. Gegenstand des Verfahrens war ein Streit zwischen einem Kläger, der einen Vertrag über ein Business-Mentoring-Programm abgeschlossen hatte, und der Beklagten, die dieses Programm anbot. Der Kläger forderte die Rückzahlung von geleisteten Zahlungen, da der Vertrag seiner Ansicht nach gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verstieß.
Hintergrund des Falls
Der Kläger schloss im Jahr 2021 zwei Verträge mit der Beklagten ab. Der erste Vertrag betraf ein 16-Wochen-Coaching-Programm, welches später durch ein 9-monatiges Business-Mentoring-Programm ersetzt wurde. Für das Mentoring-Programm zahlte der Kläger insgesamt 23.800 Euro. Da die Beklagte über keine Genehmigung nach dem FernUSG verfügte und der Kläger das Programm nach einigen Wochen als unzureichend empfand, kündigte er den Vertrag und verlangte die Rückzahlung des bereits gezahlten Betrags.
Entscheidung des OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass der Vertrag aufgrund eines Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz nichtig sei. Das Gericht führte aus, dass die Anforderungen des FernUSG, insbesondere die räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden, auch bei einem Online-Unterricht erfüllt seien. Dies gelte selbst dann, wenn eine synchrone Kommunikation zwischen den Parteien möglich ist, etwa durch Videokonferenzen. Das Gericht betonte, dass das FernUSG den Schutz der Teilnehmer vor unseriösen Anbietern bezwecke und daher weit auszulegen sei.
Wichtige Aspekte des Urteils
- Räumliche Trennung im Online-Unterricht: Das Gericht stellte klar, dass auch bei Online-Schulungen eine räumliche Trennung im Sinne des FernUSG vorliegt. Selbst wenn durch Videokonferenzen eine direkte Kommunikation möglich ist, bleibt der Umstand bestehen, dass der Unterricht nicht in physischer Präsenz erfolgt. Damit fallen auch solche Schulungen unter das FernUSG.
- Fehlende Lernerfolgskontrolle: Das Gericht hob zudem hervor, dass im vorliegenden Fall eine Kontrolle des Lernerfolgs durch die Beklagte stattgefunden habe, etwa durch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Fehler in Trading-Entscheidungen zu analysieren. Diese Elemente erfüllten die Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG, wonach der Lernerfolg überwacht werden muss.
- Nichtigkeit des Vertrags: Aufgrund der fehlenden Zulassung der Beklagten nach dem FernUSG erklärte das Gericht den Vertrag für nichtig. Die Beklagte war daher verpflichtet, die vom Kläger geleisteten 23.800 Euro zurückzuerstatten.
Bedeutung des Urteils
Das Urteil des OLG Stuttgart verdeutlicht die Bedeutung des Fernunterrichtsschutzgesetzes auch im digitalen Zeitalter. Anbieter von Online-Coaching-Programmen, die eine Wissensvermittlung gegen Entgelt betreiben, müssen sich an die Regelungen des FernUSG halten, einschließlich der Notwendigkeit einer Zulassung. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Lernerfolgskontrolle erfolgt, sei es durch direkte Rückmeldung oder die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Fazit
Das OLG Stuttgart hat mit seiner Entscheidung eine klare Linie gezogen: Auch moderne Online-Lernformate unterliegen den strengen Vorgaben des FernUSG. Anbieter, die diese Regelungen ignorieren, riskieren nicht nur die Nichtigkeit ihrer Verträge, sondern auch Rückforderungsansprüche seitens ihrer Kunden.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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