OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021, 11 LA 16/20, ECLI:DE:OVGNI:2021:0119.11LA16.20.00
Leitsätze des Gerichts:
1. Die Veröffentlichung eines Fotos auf einer Fanpage bei Facebook, auf dem Personen identifizierbar sind, stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, die einer Legitimation nach datenschutzrechtlichen Vorschriften bedarf.
2. Kann das Ziel einer Datenverarbeitung auch durch die Veröffentlichung anonymisierter Daten erreicht werden, ist eine unanonymisierte Veröffentlichung nicht erforderlich.
3. Bei einem auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlichten Foto, auf dem Personen identifizierbar sind, die in die Veröffentlichung nicht eingewilligt haben, ist im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zugunsten der betroffenen Personen u.a. zu berücksichtigen, dass eine solche Veröffentlichung aufgrund bestehender Missbrauchsmöglichkeiten sowie aufgrund der großen Reichweite derartiger Netzwerke mit erheblichen Risiken verbunden ist.
4. Art. 21 GG, § 1 ParteienG stellen keine spezifischen Rechtsgrundlagen zur Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO dar.
Welcher Sachverhalt lag hier zugrunde?
Der Kläger ist ein Ortsverein der A.-Partei. Er wendet sich dagegen, dass ihn die Beklagte im Rahmen eines aufsichtsbehördlichen Prüfverfahrens nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wegen der Veröffentlichung eines Fotos bei Facebook verwarnt hat.3
Am 7. August 2014 führte der Kläger in C. eine öffentliche Veranstaltung in Form eines Ortstermins durch, bei der es um den Bau einer Ampelanlage über die viel befahrene D. -Straße, Teil der Landstraße E., in C. ging. An dieser Veranstaltung nahmen insgesamt ca. 70 Personen teil, darunter zahlreiche Anwohner sowie Vertreter des Klägers und Mitarbeiter der Kommunalverwaltung. Unter den Teilnehmern befanden sich auch die Eheleute F., die in einer Seitenstraße der D. -Straße wohnen. Über die Veranstaltung wurde auch in der örtlichen Presse mit Texten und Bildern berichtet, die teilweise immer noch im Internet verfügbar sind (siehe https://www.haz.de/… v. 8.4.2014, Stand: 15.1.2021). Auf einem von einem Veranstaltungsteilnehmer aufgenommenen Foto, auf dem insgesamt ca. 30 bis 40 Personen zu sehen sind, sind u.a. Frau F. (frontal vom Kopf bis zu den Knien), Herr F. (frontal nur mit dem Kopf) sowie der Vorsitzende des Klägers (seitlich von Kopf bis Fuß) erkennbar. Der Vorsitzende des Klägers steht dabei in der Mitte eines aus den weiteren Personen geformten Halbkreises (siehe Beiakte 001, Bl. 11, im Folgenden: streitgegenständliches Foto).4
In der Folgezeit gab es weitere Presseberichterstattung darüber, dass sich der Bau der Ampelanlage für einen Fußgängerüberweg in der D. -Straße in C. verzögerte (siehe z.B. https://www.haz.de/… v. 4.4.2016 und https://www.haz.de/ … v. 7.4.2016).5
Nachdem im Spätsommer 2018 mit dem Bau der Ampelanlage über die D. -Straße begonnen worden war, veröffentlichte der Kläger am 17. September 2018 auf seiner Fanpage bei Facebook (siehe https://www.facebook.com/…), die für sämtliche Facebook-Nutzer frei einsehbar ist, das streitgegenständliche Foto. Unterhalb dieses Fotos postete der Kläger in gleicher Größe wie das streitgegenständliche Foto ein aktuelles Lichtbild der D.-Straße. Im Vordergrund dieses zweiten Bildes war eine Baustelle erkennbar. Über den beiden Fotos befand sich folgender Text:6
„Zwischen den Fotos liegen vier Jahre, in denen die Anwohner die Hoffnung auf eine Realisierung der Ampel an der D. -Straße in C. nicht aufgegeben haben. Jetzt wird das Projekt endlich umgesetzt. Eine gute Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“ (siehe Beiakte 001, Bl. 3).7
Daraufhin wandte sich Herr F. an den Kläger und führte aus, dass er von einem Kollegen auf das Foto bei Facebook aufmerksam gemacht worden sei, und forderte den Kläger unter Verweis darauf, dass zur Veröffentlichung ein Einverständnis erforderlich sei, zur Stellungnahme und zur Löschung des Fotos auf. Mit E-Mail vom 20. September 2018 antwortete der Vorsitzende des Klägers Herrn F., dass das Foto seinerzeit von einer ihm unbekannten Person aufgenommen und bereits vor vier Jahren im Internet gepostet worden sei. Jetzt sei es lediglich erneut veröffentlicht worden. Da die Eheleute F. zusammen mit mehreren anderen Personen abgebildet und nicht besonders hervorgehoben oder abträglich dargestellt worden seien, dürfe das Foto auch weiterhin veröffentlicht werden. Es sei ihm lediglich darum gegangen, das seit Jahren bestehende Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner an der Realisierung der Ampelanlage aufzuzeigen. Dazu habe er das Foto auch verwenden dürfen. Dennoch werde er das Foto wunschgemäß löschen.8
Mit Schreiben vom 26. September 2018 wandte sich Herr F. zudem unter Bezugnahme und Vorlage seiner Korrespondenz mit dem Vorsitzenden des Klägers mit einer datenschutzrechtlichen Beschwerde an die Beklagte. Er – Herr F. – sei entsetzt über die Sichtweise des Lokalpolitikers und bitte um Prüfung des Sachverhalts. Die Beklagte leitete daraufhin ein aufsichtsbehördliches Prüfverfahren nach Art. 57 Abs. 1 lit. a und lit f. und Art. 58 Abs. 1 lit. b DS-GVO gegenüber dem Kläger ein und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 führte der Kläger aus, dass die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos rechtmäßig sei und weder gegen das Kunsturhebergesetz noch gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoße.
Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal – Dokument: OVG Lüneburg 11. Senat | 11 LA 16/20 | Beschluss | Datenschutzrechtliche Verwarnung wegen eines auf einer Fanpage einer Partei bei Facebook veröffentlichten Fotos | Langtext vorhanden (niedersachsen.de)
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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