In einem aktuellen Urteil befasste sich das Bundessozialgericht (BSG) mit der Frage, ob eine verspätete Auskunftserteilung nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO begründen kann. Der Kläger, ein früherer Arbeitslosengeld-II-Empfänger, forderte 5.000 Euro Schadensersatz vom Jobcenter Düsseldorf. Das Verfahren scheiterte jedoch in allen Instanzen – ein Fall, der interessante Einblicke in die Grenzen der DSGVO bietet.
Der Hintergrund des Falls
Der Kläger hatte in den Jahren 2005 bis 2009 sowie 2013 und 2016 Leistungen vom beklagten Jobcenter bezogen. 2019 stellte er per E-Mail einen Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO, den er später mehrfach erinnerte. Nachdem das Jobcenter zunächst nicht reagierte, schaltete der Kläger die Datenschutzbehörden ein. Letztlich erteilte das Jobcenter im Februar 2020 eine schriftliche Auskunft und bot an, Kopien der Aktenbände in Papierform zu übermitteln. Der Kläger akzeptierte dies zwar, bestand jedoch zunächst auf einer elektronischen Übermittlung. Die Übergabe der Unterlagen in Papierform erfolgte schließlich im August 2020.
Trotz der Auskunftserteilung klagte der Kläger im September 2021 auf Schadensersatz und berief sich auf immaterielle Schäden, die er durch die verspätete und nicht in der gewünschten Form erteilte Auskunft erlitten habe.
Das Urteil des BSG
Das Bundessozialgericht wies die Revision des Klägers ab und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO nicht vorlagen. Die wesentlichen Punkte der Begründung:
- Keine ausreichende Darlegung eines Schadens
Ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO genügt nicht, um Schadensersatzansprüche zu begründen. Erforderlich ist ein konkreter, materieller oder immaterieller Schaden. Die pauschale Behauptung eines „Kontrollverlusts“ oder der Unsicherheit über die Verarbeitung der eigenen Daten reichte den Gerichten nicht aus. - Auskunftserteilung als Datenverarbeitung
Nach Ansicht des Gerichts stellt die Erteilung einer Auskunft zwar eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der DSGVO dar. Das Jobcenter habe jedoch die Auskunft, wenn auch verspätet, erteilt. Der Kläger konnte keinen nachweisbaren Schaden durch die Verzögerung geltend machen. - Unzulässigkeit der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage, die hilfsweise zur Klärung eines Verstoßes gegen die DSGVO eingereicht wurde, scheiterte an einem fehlenden Feststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht nur, wenn die Feststellung für die Rechtsverhältnisse des Klägers von Bedeutung ist – was hier nicht der Fall war.
Rechtliche Einordnung
Das Urteil verdeutlicht, dass die DSGVO hohe Anforderungen an die Darlegung eines Schadens stellt. Insbesondere bei immateriellen Schäden, wie etwa einem „Kontrollverlust“, ist eine substantiierte Darstellung notwendig. Der Fall zeigt außerdem, dass eine verspätete Auskunftserteilung allein keinen Schadensersatzanspruch begründet, solange kein konkreter Schaden nachgewiesen werden kann.
Was bedeutet das für Betroffene?
Wer auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO besteht, sollte darauf achten, dass Verstöße gegen die Verordnung detailliert dokumentiert werden. Insbesondere, wenn Schadensersatz geltend gemacht wird, sind konkrete Nachweise eines erlittenen Nachteils entscheidend. Das Urteil bietet zudem Orientierung für Verantwortliche, wie sie mit Auskunftsersuchen umgehen sollten, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Der BGH hingegen hält einen Kontrollverlust ausreichend, um einen Schadenersatz von ca. 100,- € zu bejahen.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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