Das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Januar 2025 (Az. 14 O 387/24) wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die ein sogenannter „Copyright-Strike“ auf einer Streaming-Plattform haben kann. Besonders brisant: Der Fall verdeutlicht, wie leicht diese Funktion von Rechteinhabern – oder solchen, die sich fälschlicherweise dafür halten – missbraucht werden kann.
Was war geschehen?
Ein Künstler, der unter dem Pseudonym „B.“ bekannt ist, veröffentlichte im Oktober 2024 eine neue Single zusammen mit dem Produzentenduo „D. Z.“. Kurze Zeit später war der Song auf zwei der größten Streaming-Plattformen weltweit plötzlich nicht mehr verfügbar. Der Grund: Eine Urheberrechtsbeschwerde, eingereicht von einem Mitarbeiter des ehemaligen Labels des Künstlers.
Das Landgericht Köln entschied nun, dass diese Beschwerde („Copyright-Strike“) unberechtigt war und einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Künstlers darstellt.
Rechtslage: Wann wird ein „Copyright-Strike“ problematisch?
Die Streaming-Plattformen reagieren auf Urheberrechtsbeschwerden meist automatisch, indem sie den beanstandeten Inhalt zunächst sperren. Diese Funktion dient dem Schutz von Urhebern, birgt jedoch Missbrauchspotenzial. Das Gericht stellte klar, dass eine unberechtigte Beschwerde nicht nur die Veröffentlichung eines Werks behindert, sondern auch die wirtschaftlich entscheidenden ersten Tage nach der Veröffentlichung schädigen kann.
Das Gericht berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2005 – GSZ 1/04). Der Mechanismus des „Copyright-Strikes“ sei mit einer solchen Verwarnung vergleichbar, da er den Zugang von Kunden zum Werk erheblich beeinträchtige.
Was hat das Landgericht entschieden?
Das Gericht bestätigte eine einstweilige Verfügung gegen das Label und untersagte ihm, weitere unberechtigte Urheberrechtsbeschwerden einzureichen. Interessant ist die Begründung: Da der Exklusivvertrag zwischen dem Künstler und dem Label bereits 2022 wirksam gekündigt worden war, hatte das Label keinerlei Rechte mehr an den neu veröffentlichten Werken. Die Beschwerde sei daher unzulässig und diente primär dazu, den Künstler zu schädigen.
Praktische Folgen für Rechteinhaber und Plattformnutzer
Das Urteil ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer klareren Regulierung des „Copyright-Strike“-Mechanismus. Es zeigt jedoch auch die Notwendigkeit, vor dem Einreichen solcher Beschwerden sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich Schutzrechte bestehen. Andernfalls drohen nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern auch einstweilige Verfügungen oder Klagen auf Unterlassung.
Für Künstler und Unternehmen, die Opfer solcher unberechtigter Beschwerden werden, bietet das Urteil wichtige rechtliche Orientierung. Es zeigt, dass die Gerichte bereit sind, entschlossen gegen rechtsmissbräuchliche Urheberrechtsbeschwerden vorzugehen.
Fazit
Das Landgericht Köln hat mit diesem Urteil ein klares Signal gesendet: Der Missbrauch des „Copyright-Strike“-Mechanismus wird nicht toleriert. Plattformbetreiber sollten sich ebenfalls fragen, ob automatische Sperren ohne vorherige Prüfung weiterhin zeitgemäß sind – oder ob es sinnvollere Lösungen gibt, die sowohl Rechteinhaber als auch Nutzer besser schützen.
Das Urteil im Volltext gibt es hier.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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