Am 11. Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil gefällt ( AZ X ZB 5/22), das die Rolle künstlicher Intelligenz (KI) im deutschen Patentrecht präzise definiert. Das Urteil besagt, dass Erfinder im Sinne von § 37 Abs. 1 des Patentgesetzes (PatG) ausschließlich natürliche Personen sein können. Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für Patentanmeldungen, bei denen KI-Systeme eine wesentliche Rolle spielen.
Hintergrund des Falls
Der Fall begann, als Stephen L. Thaler am 17. Oktober 2019 eine Patentanmeldung für einen innovativen Lebensmittel- oder Getränkebehälter einreichte. Das besondere Design des Behälters, das ein fraktales Profil umfasst, wurde von der KI namens DABUS entwickelt. In der Anmeldung benannte Thaler DABUS als Erfinder, was das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) jedoch ablehnte. Das Amt argumentierte, dass nur natürliche Personen als Erfinder anerkannt werden können.
Daraufhin beantragte Thaler verschiedene Ergänzungen und Änderungen der Anmeldung. Unter anderem wollte er DABUS als „c/o Stephen L. Thaler, PhD“ benennen, um die Beteiligung der KI hervorzuheben. Das Bundespatentgericht akzeptierte schließlich eine Formulierung, die Thaler als Erfinder angab und DABUS als das System, das die Erfindung generiert hat.
Kernaussagen des BGH-Urteils
- Natürliche Personen als Erfinder: Der BGH stellte klar, dass gemäß § 37 Abs. 1 PatG nur natürliche Personen als Erfinder benannt werden dürfen. Ein maschinelles System, selbst wenn es über Funktionen künstlicher Intelligenz verfügt, kann nicht als Erfinder anerkannt werden.
- Erforderlichkeit der Benennung einer natürlichen Person: Die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder ist auch dann möglich und erforderlich, wenn ein System mit künstlicher Intelligenz zum Auffinden der beanspruchten technischen Lehre genutzt wurde.
- Formale Anforderungen: Die einfache Benennung einer natürlichen Person im offiziellen Formular genügt nicht, wenn zugleich beantragt wird, die Beschreibung um den Hinweis zu ergänzen, dass die Erfindung durch eine KI generiert wurde. Diese Ergänzung ist rechtlich unerheblich und führt nicht zur Zurückweisung der Anmeldung.
- Rechtliche Irrelevanz zusätzlicher Hinweise: Die Ergänzung einer hinreichend deutlichen Erfinderbenennung um den Hinweis, dass eine KI zur Generierung der Erfindung veranlasst wurde, ist rechtlich unerheblich und rechtfertigt nicht die Zurückweisung der Anmeldung nach § 42 Abs. 3 PatG.
Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil hat tiefgreifende Folgen für die Patentpraxis in Deutschland. Es stellt sicher, dass Erfindungen, die unter wesentlicher Mitwirkung von KI-Systemen entwickelt wurden, weiterhin einer natürlichen Person zugeschrieben werden müssen. Dies unterstreicht die Bedeutung menschlicher Mitwirkung und Verantwortung im Erfindungsprozess.
Für Anmelder bedeutet dies, dass sie sorgfältig prüfen müssen, welche natürlichen Personen als Erfinder benannt werden können, auch wenn die technische Lehre maßgeblich durch eine KI beeinflusst wurde. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Erfinderbenennung eindeutig und in sich schlüssig ist, um den Anforderungen des PatG zu entsprechen.
Fazit
Das Urteil des BGH vom 11. Juni 2024 schafft Klarheit darüber, dass nur natürliche Personen als Erfinder im Sinne des Patentrechts anerkannt werden können. Dies stärkt die rechtliche Sicherheit und stellt sicher, dass trotz fortschreitender Technologien die menschliche Verantwortung im Erfindungsprozess erhalten bleibt. Patentanmelder sollten diese Entscheidung berücksichtigen und sicherstellen, dass sie eine natürliche Person als Erfinder benennen, selbst wenn KI-Systeme maßgeblich zur Erfindung beigetragen haben.
Dieses Urteil könnte auch Auswirkungen auf internationale Patentanmeldungen haben, da ähnliche rechtliche Rahmenbedingungen in anderen Ländern bestehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in anderen Jurisdiktionen weiterentwickeln wird. In der Zwischenzeit bietet das BGH-Urteil eine klare Leitlinie für den Umgang mit Erfindungen, die durch künstliche Intelligenz beeinflusst wurden, und stellt sicher, dass die rechtlichen Anforderungen des PatG erfüllt werden.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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