Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 16. April 2024 im Fall 4 U 151/22 ein Urteil zur sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Internetversandhandel gefällt. Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Konsequenzen systematischer negativer Bewertungen und sinnloser Retourenbestellungen durch Mitbewerber. Dieses Urteil ist von besonderer Bedeutung für den E-Commerce und den Schutz vor unlauteren geschäftlichen Handlungen.
Hintergrund des Falls
Die Parteien, beides Matratzenhändler, standen im Wettbewerb im Internetversandhandel. Die Klägerin warf der Beklagten vor, dass deren Angestellte systematisch sinnlose Bestellungen und Retouren durchführten sowie negative Bewertungen abgaben, um den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu schädigen und ihr Ansehen bei Plattformbetreibern zu schmälern. Zwischen April und November 2019 bestellten zwei Mitarbeiter der Beklagten elf Mal Matratzen und Matratzenauflagen bei der Klägerin und gaben anschließend negative Bewertungen ab oder stellten Rücksendeanträge mit teils fadenscheinigen Begründungen (Rn. 3-15).
Entscheidungsgründe des OLG Hamm
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Paderborn, das die Klage größtenteils zugunsten der Klägerin entschieden hatte. Die Klageanträge auf Unterlassung, Schadensersatz und Abmahnkosten wurden bestätigt, während der Auskunftsanspruch abgewiesen wurde.
- Unterlassungsanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB)
Das Gericht befand, dass das Verhalten der Beklagten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung darstellt. Die systematischen negativen Bewertungen und sinnlosen Bestellungen zielten darauf ab, die Klägerin zu schädigen und deren Ansehen zu schmälern (Rn. 66). Der Senat stellte klar, dass solche Handlungen, selbst wenn sie nicht öffentlich, sondern gegenüber Plattformbetreibern erfolgen, als Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB anzusehen sind (Rn. 65b). - Zurechnung des Verhaltens der Mitarbeiter
Das Gericht entschied, dass die Handlungen der Angestellten I. und Y. der Beklagten zuzurechnen sind. Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass sie keine Kenntnis von den Handlungen hatte und keine ausreichenden Maßnahmen zur Verhinderung solcher Aktivitäten getroffen hatte. Ein einfaches Bestreiten reichte nicht aus (Rn. 67). - Verjährung
Der Unterlassungsanspruch ist nicht verjährt. Das Gericht stellte fest, dass für Ansprüche aus § 826 BGB die Verjährungsfristen des BGB gelten und nicht die kürzeren Fristen des UWG (§ 11 Abs. 1 UWG) (Rn. 68d). - Abweisung des Auskunftsanspruchs
Die Klägerin konnte keinen Anspruch auf weitergehende Auskunft geltend machen, da sie keine konkreten Verdachtsmomente für weitere Bestellungen oder Handlungen vorlegen konnte, die zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche notwendig wären (Rn. 75).
Fazit
Das Urteil des OLG Hamm vom 16. April 2024 zeigt auf, wie Internethändler sich vor vor unlauteren geschäftlichen Handlungen im E-Commerce schützen und auch zur Wehr setzen können. Es verdeutlicht, dass systematische negative Bewertungen und sinnlose Bestellungen durch Mitbewerber als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung geahndet werden können. Unternehmen im Internetversandhandel sind somit besser gegen solche Praktiken geschützt.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
Telefon: 0751 / 27 088 530