Am 3. Juni 2024 entschied der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München in dem Beschluss Az. 6 AR 139/23 Kart e über die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs. Dieses Urteil hat bedeutende Auswirkungen für die Praxis und beleuchtet die Grenzen und Kriterien für die Anerkennung von Missbrauchsfällen im Wettbewerbsrecht.
Tatbestand
Der Fall bezieht sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch den Antragsteller. Beide Parteien erklärten den Rechtsstreit in der Sache übereinstimmend für erledigt, was das Gericht veranlasste, über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Der Streitwert wurde auf 1.000 Euro festgesetzt. Der Antragsteller wurde verpflichtet, die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Das Gericht entschied gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Antragsteller freiwillig eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, was allein jedoch nicht automatisch zur Kostenbelastung der Antragsgegnerin führt (Rn. 2-4).
Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung
- Sachfremde Motive: Das Gericht stellte fest, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Antragsteller überwiegend sachfremde Motive verfolgte. Die Kostenpauschale, die der Antragsteller geltend machte, lag erheblich über den üblichen Beträgen und wurde nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt (Rn. 9-11). Dies deutete darauf hin, dass finanzielle Interessen eine wesentliche Rolle spielten.
- Geringfügigkeit des Verstoßes: Der behauptete Verstoß, eine falsche Handelsregisternummer, wurde als geringfügig eingestuft. Die Antragsgegnerin hatte den Verstoß nach der Abmahnung unverzüglich abgestellt, was zeigt, dass keine Wiederholungsgefahr bestand (Rn. 13-14).
- Kombination von Umständen: Die Gesamtschau der Umstände führte zur Annahme, dass der Antragsteller das Verfahren hauptsächlich zur Generierung weiterer Rechtsverfolgungskosten einleitete. Dies stellt einen Missbrauch dar und machte die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unzulässig (Rn. 15-18).
Unzulässigkeit des Verfügungsantrags
Aufgrund der festgestellten Rechtsmissbräuchlichkeit war der Verfügungsantrag als unzulässig zurückzuweisen. Dies entspricht der Vorschrift des § 2c Abs. 1 Satz 1 UKlaG und § 8c Abs. 1 UWG, die eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen untersagen (Rn. 19).
Streitwertfestsetzung
Der Streitwert wurde nach freiem Ermessen auf 1.000 Euro festgesetzt, wobei das Interesse der Allgemeinheit an der Unterlassung der verbraucherschutzwidrigen Praxis berücksichtigt wurde (Rn. 22).
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des OLG München setzt wichtige Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen:
- Prüfung der Motivlage: Bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen müssen Anwälte sorgfältig prüfen, ob sachfremde Motive dominieren. Die Gerichte werden verstärkt darauf achten, ob finanzielle Interessen oder die Generierung von Verfahrenskosten im Vordergrund stehen.
- Transparente Kostenaufstellung: Die Kosten, die im Rahmen einer Abmahnung geltend gemacht werden, müssen nachvollziehbar und transparent aufgeschlüsselt sein. Unverhältnismäßig hohe Pauschalen können als Indiz für Missbrauch gewertet werden.
- Bedeutung des Verstoßes: Die Schwere des behaupteten Verstoßes spielt eine entscheidende Rolle. Geringfügige Verstöße, die schnell behoben werden, rechtfertigen in der Regel keine weitreichenden Unterlassungsansprüche.
- Verhalten nach der Abmahnung: Das Verhalten des Antragsgegners nach Erhalt einer Abmahnung wird bei der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit berücksichtigt. Schnelle und kooperative Reaktionen können die Annahme eines Missbrauchs stützen.
Dieses Urteil betont die Notwendigkeit einer gründlichen und ehrlichen Rechtsverfolgung und setzt klare Grenzen gegen missbräuchliche Unterlassungsansprüche im Wettbewerbsrecht.
Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
Telefon: 0751 / 27 088 530