VG Bremen: Befugnisse der Datenschutzaufsichtsbehörde

Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Urteil vom 10.10.2022 – 4 K 1338/21 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden gehabt:

Sachverhalt:

Der Kläger ist Betreiber der Website www…de. Diese Seite veröffentlicht unter der Überschrift … Kommentare über gesellschaftliche, primär politische Themen. Auf der Website wurden unter anderem Screenshots von einer per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzung des Beirats … vom … veröffentlicht. Des Weiteren wurden YouTube-Videos von derselben Sitzung mit den Titeln … und … ergänzt. Nachdem das Video … und … veröffentlicht und um einen Ankündigungstext auf YouTube-Deutschland blockiert wurde, wurde auf der Website eine Anleitung veröffentlicht, in dem die Umgehung der Blockade beschrieben wurde.

Nachdem Beschwerden bei der Beklagten über die vorgenannten Veröffentlichungen eingegangen waren, wandte sich diese mit Schreiben vom 10.02.2021 an den Kläger und bat um die Beantwortung einiger sachverhaltsbezogener Fragen bis zum 22.02.2021. Insbesondere ging es um die Fragen, ob der Kläger die Videos aufgenommen und auf der Plattform „YouTube“ veröffentlicht habe. Diese Frist ließ der Kläger verstreichen, so dass die Beklagte sich mit Schreiben vom 24.02.2021 erneut an ihn wandte und unter Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung der Beantwortung der Fragen mittels Verwaltungsakts erneut um deren Beantwortung bis zum 06.03.2021 bat. Nach erfolglosem Fristablauf erlies die Beklagte unter dem 14.04.2021 eine Anordnung, durch welche der Kläger dazu verpflichtet wurde, über den Sachverhalt Auskünfte zu erteilen. Mit E-Mail vom 03.06.2021 verweigerte dies der Kläger unter Berufung auf sein strafrechtliches Auskunfts- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht.

Bescheid der Datenschutzaufsichtsbehörde Bremen:

1. Der Kläger hat die auf der von diesem betriebenen Internetseite veröffentlichten YouTube-Videos von der per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzung … des … Beirates … vom von der Internet zu löschen.

2. Der Kläger hat den auf der von diesem betriebenen Internetseite veröffentlichten Screenshot von der per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzung des Beirates … von der Internetseite zu löschen.

3. Dem Kläger wird untersagt, künftige Videos von den per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzungen des Beirates … auf der Internetseit … zu veröffentlichen, soweit diese Videos die Teilnehmer*innen der Sitzungen (Beiratsmitglieder, Gäste, Öffentlichkeit) zeigen und/oder deren Stimmaufnahmen beinhalten.

4. Dem Kläger wird untersagt, künftige Screenshots von den per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzungen des Beirates … auf der Internetseit … zu veröffentlichen, soweit diese Videos die Teilnehmer*innen der Sitzungen (Beiratsmitglieder, Gäste, Öffentlichkeit) zeigen.

5. Für den Fall, dass der Kläger der Verpflichtung aus Ziffer 1 nicht oder nicht vollständig bis zum 14. Juli 2021 nachkommt, droht die Beklagte dem Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 400 Euro an.

6. Für den Fall, dass der Kläger der Verpflichtung aus Ziffer 2 nicht oder nicht vollständig bis zum 14. Juli 2021 nachkommt, droht die Beklagte dem Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 Euro an.

7. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung der Ziffer 3 droht die Beklagte dem Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 Euro an.

8. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung der Ziffer 4 droht die Beklagte dem Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 Euro an.

9. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 wird angeordnet.

10. Für den Bescheid werden Kosten in Höhe von 93,45 Euro festgesetzt, die vom Kläger zu tragen sind.

Begründung der Behörde für den Bescheid:

Diese Anordnungen begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, dass die Veröffentlichung der Videos und des Screenshots einen Verstoß gegen die DSGVO darstellten, da es sich bei den Veröffentlichungen jeweils um eine Verarbeitung personenbezogener Daten handele und diese nicht durch eine Rechtsgrundlage legitimiert seien. Insbesondere lägen keine Einwilligungen der abgebildeten Personen vor und die Veröffentlichungen seien nicht zur Wahrung der berechtigten Interessen des Klägers oder eines Dritten erforderlich. Außerdem würden die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen ein vermeintliches berechtigtes Interesse des Klägers überwiegen. Dieses Abwägungsergebnis begründete die Beklagte unter anderem damit, dass die betroffenen Personen üblicherweise in ihren privaten Wohnräumen seien, die Veröffentlichungen auf der Internetseite für jedermann zugänglich sei und damit einer nicht eingrenzbaren Öffentlichkeit zur Verfügung stünde und eine Übermittlung in Drittländer außerhalb der EU mit einem niedrigeren Datenschutzniveau nicht auszuschließen sei. Schließlich sei der Charakter der Internetseite hoahe.de zu berücksichtigen, welcher von einer Diffamierung zahlreicher politischer Entscheidungsträger sowie Bevölkerungsgruppen geprägt sei und sich zum Teil zumindest an den Grenzen des Schutzbereiches der verfassungsrechtlich gewährleisteten und weit zu verstehenden Meinungsfreiheit bewege. Es seien keine milderen Maßnahmen geeignet, den grundrechtsbeeinträchtigenden Zustand zu beseitigen. Die Interessenabwägung komme für beide Veröffentlichungsformen zum gleichen Ergebnis, da ein Screenshot zwar lediglich ein Foto sei, welches kein Video und kein gesprochenes Wort darstelle, aber das Foto dadurch nur einen geringen informatorischen Wert für Besucher der Internetseite habe und mithin das berechtigte Interesse an diesem simultan reduziert sei. Die Unterlassungsanordnungen der Ziffern 3 und 4 seien erforderlich, weil der Kläger bereits in dieser Form gegen die DSGVO verstoßen habe und – da er die Rechtsauffassung vertrete, sein Handeln sei kein Unrecht – von einer konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden könne. Die Zwangsgeldandrohungen gemäß Ziffer 5, 6, 7 und 8 stützte die Beklagte darauf, dass der Kläger bis zum Entscheidungszeitpunkt die Rechtsauffassung vertreten habe, dass sein Handeln rechtmäßig sei und sich geweigert habe, mit der Beklagten zu kooperieren, so dass die Androhung eine geringe Beeinträchtigung darstelle, aber zugleich den nötigen Handlungsdruck beziehungsweise den Druck, die auferlegten Unterlassungen zu befolgen, begründe. Die Kostenentscheidung der Ziffer 10 begründet die Beklagte mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 4 DSGVO i. V. m. §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1 BremGebBeitrG i. V. m. § 1 AllKostV.

Entscheidung des Gerichts:

Der Bescheid der Behörde ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Seine Klage wurde vom Verwaltungsgericht Bremen abgewiesen.

Das Gericht führte in den Entscheidungsgründen u.a. aus:

Die Löschungsanordnung der Videos gemäß Ziffer 1 beruhte auf Art. 58 Abs. 2 lit. f) Alt. 2 DSGVO. Die Beklagte war als Aufsichtsbehörde gem. § 40 Abs. 1 BDSG i. V. m. § 21 Abs. 2 BremDSGVOAG die befugte Stelle. Der Kläger ist als Betreiber der Internetseite, auf der die Videos veröffentlicht wurden, Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO und richtiger Adressat der Anordnung. Das Veröffentlichen der streitgegenständlichen Videos stellte eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar. Diese Verarbeitung war rechtswidrig.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO ist die Verarbeitung grundsätzlich rechtswidrig und kann nur dann rechtmäßig sein, wenn ausnahmsweise ein Legitimationstatbestand einschlägig ist. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) kommt als Legitimationsgrundlage für die Veröffentlichung nicht in Betracht. Hiernach ist eine Verarbeitung, die zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Drittem erforderlich ist, legitim, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Der Kläger verfolgt kein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift. Der Begriff des berechtigten Interesses ist zwar weit zu fassen. Das weite Verständnis erstreckt sich auch auf wirtschaftliche und ideelle Interessen. Vorliegend möchte der Kläger nach eigenen Angaben durch seine Internetseite, mithin durch Veröffentlichung der Videos, die Vorgänge und das Verhalten der anwesenden Politiker bei der gegenständlichen Beiratssitzung der Bevölkerung zugänglich machen, damit diese erfahren kann, wie die von dieser gewählten Politiker die Bevölkerungsinteressen wahrnehmen. Grundsätzlich könnte in der Veröffentlichung zur Information der Öffentlichkeit über politische Vorgänge ein berechtigtes Interesse Dritter gesehen werden. Dieses Interesse wird aber nicht bereits dann verfolgt, wenn eine Privatperson eine eigene Internetseite betreibt und auf dieser ihre eigene Meinung darbietet. Des Weiteren spricht gegen ein solches Interesse, dass die Inhalte primär darauf abzielen, die beteiligten Personen zu diffamieren.

Im Übrigen war die Verarbeitung nicht erforderlich. Die Sitzung des Beirats war über einen öffentlichen Link zugänglich, so dass die interessierte Bevölkerung die Möglichkeit hatte, an der Sitzung teilzunehmen. Die Sitzungen der Beiräte werden protokolliert und im Internet für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, so dass auch bei einer Verhinderung zum Zeitpunkt der Sitzung, eine Information über die Inhalte der Sitzung möglich ist. Die durch Video- und Tonaufnahmen erlangten Mehrinformationen haben keinen Bezug mehr zu dem Zweck der politischen Aufklärung, da dieses bereits durch die Protokolle abgedeckt ist.

Schließlich überwiegen die Interessen und Grundrechte der betroffenen Beiratsmitglieder. Zum einen ist, insbesondere durch die Heimlichkeit der Aufnahmen und die Einblicke in die Privaträume der betroffenen Personen, das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung betroffen, wonach jeder Einzelne das Recht hat zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Zum anderen ist das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort betroffen, wonach jeder das Recht hat die bildliche Darstellung der eigenen Person anderen gegenüber grundsätzlich selbst zu bestimmen und allein bestimmen darf, wer das eigene Wort aufnehmen soll, sowie ob und von wem die aufgenommenen und gespeicherten Tonaufnahmen abgespielt werden dürfen. Diese Rechte sind allesamt Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hinzu kommt, dass diese Rechte besonders gefährdet sind, da die Veröffentlichungen im Internet erfolgt sind und damit einem unkontrollierbaren und unbeschränkbaren Personenkreis zur Verfügung stehen. Dagegen wiegt das Interesse des Klägers, die Öffentlichkeit zu informieren, geringer. Die Veröffentlichung der Videos selbst stellt keine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG dar, da es lediglich das zur Verfügung stellen des Videos ohne ein Element der Stellungnahme ist. Das berechtigte Interesse des Klägers, soweit es überhaupt besteht, überwiegt insbesondere wegen des Mangels an berechtigter Mehrinformation gegenüber den öffentlichen Protokollen und der Möglichkeit der Teilnahme an den Sitzungen nicht die benannten Grundrechte der betroffenen Personen. Die auf diesen ordnungsgemäßen Überlegungen beruhende Ermessensentscheidung ist fehlerfrei erfolgt.

3. Ziffer 2 des Bescheides vom 17.06.2021 erweist sich als rechtmäßig. Sie beruht ebenfalls auf Art. 58 Abs. 2 lit. f) Alt. 2 DSGVO. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Norm wird nach oben verwiesen. Abweichend zu der Löschungsanordnung der Videos ist jedoch festzustellen, dass es sich bei einem Screenshot um einen geringeren Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen handelt, da kein Video und Ton, sondern lediglich ein Standbild veröffentlich wurde. Demgegenüber ist aber auch das in der Abwägung entgegenstehende Interesse des Klägers an der Information der Öffentlichkeit reduziert, da diese aus einem Screenshot keine politischen Mehrinformationen erhalten kann, als solche, welche sich aus dem öffentlichen Protokoll ergeben. Die Ermessensbetätigung der Beklagten ist auch insoweit nicht zu beanstanden

4. Die Unterlassungsverfügung bezüglich der zukünftigen Veröffentlichung von Videos aus den Beiratssitzungen des Beirats … gemäß Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Sie beruht ebenfalls auf Art. 58 Abs. 2 lit. f) Alt. 2 DSGVO, welcher es ermöglicht, Verbote für die Zukunft auszusprechen. Bezüglich der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung von solchen Videos, wie denen, die in der Anordnung zukünftig untersagt wird, wird nach oben verwiesen.

VG Bremen, Urteil vom 10.10.2022 – 4 K 1338/21

Stefan Lutz, LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TTDSG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.