Digitale Nachlassverwaltung ist längst keine Randfrage mehr. Mit einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg (Az. 13 U 116/23) wird erneut deutlich, wie komplex die rechtliche Bewertung digitaler Benutzerkonten im Todesfall ist. Das Gericht entschied zugunsten der Erbin eines verstorbenen Nutzers eines Social-Media-Kontos und sprach ihr nicht nur den lesenden, sondern auch den aktiven Zugang zum Account zu.
Hintergrund: Digitales Erbe im Fokus
In dem Fall ging es um eine Erbin, die Zugang zum Social-Media-Konto ihres verstorbenen Ehemanns auf der Plattform „DD“ verlangte. Nach dem Tod des Nutzers wurde das Konto von der Plattform in einen „Gedenkzustand“ versetzt, der den aktiven Zugriff auf das Konto unmöglich machte. Die Erbin, die gleichzeitig Ehefrau des Verstorbenen und Alleinerbin war, forderte uneingeschränkten Zugriff, inklusive der Möglichkeit, den Account weiterhin aktiv zu nutzen.
Die Betreiberin der Plattform, die BB Limited, argumentierte, dass Social-Media-Konten höchstpersönlich seien und eine aktive Weiternutzung durch Erben gegen die Natur des Vertrags sowie den Schutz der Kommunikationspartner verstoße. Das Landgericht Oldenburg hatte der Klägerin zunächst nur einen lesenden Zugriff auf den Account zugesprochen. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein, um auch das Recht auf aktive Nutzung des Kontos durchzusetzen.
Die Entscheidung des OLG: Vererblichkeit schließt aktive Nutzung ein
Das OLG Oldenburg stellte klar, dass Social-Media-Konten grundsätzlich vererblich sind. Gemäß § 1922 BGB tritt der Erbe in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein – dies schließt auch digitale Vertragsverhältnisse wie Social-Media-Konten ein. Dabei hob das Gericht hervor, dass weder die Vertragsbedingungen der Plattform noch datenschutzrechtliche oder persönlichkeitsrechtliche Bedenken der Kommunikationspartner dem entgegenstehen.
Bemerkenswert ist, dass das Gericht im Gegensatz zu früheren Entscheidungen die aktive Nutzung des Accounts als Teil des Erbrechts anerkannte. Es führte aus, dass die technischen Leistungen der Plattformanbieterin nicht personenbezogen seien und daher auch einem Erben gegenüber unverändert erbracht werden könnten. Der Umstand, dass ein Social-Media-Konto möglicherweise wirtschaftlichen Wert (z. B. durch Reichweite oder Follower) habe, verstärke die Vererblichkeit.
Abgrenzung zur BGH-Rechtsprechung
Die Entscheidung des OLG baut auf der grundlegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auf, geht jedoch an einem entscheidenden Punkt darüber hinaus. Während der BGH in der Vergangenheit die Frage der aktiven Weiternutzung von Social-Media-Konten offenließ, bejahte das OLG Oldenburg diese Möglichkeit ausdrücklich. Der Vergleich mit einem Girokonto, dessen aktive Nutzung nach dem Tod des Kontoinhabers ausgeschlossen sein kann, überzeugte das Gericht nicht. Es betonte, dass Social-Media-Konten eine andere Funktion erfüllen und keinen vergleichbaren Vertrauenscharakter aufweisen.
Praxistipp: Vorsorge für den digitalen Nachlass
Das Urteil zeigt, dass der digitale Nachlass immer mehr an Bedeutung gewinnt. Nutzer von Social-Media-Plattformen sollten bereits zu Lebzeiten klären, wie mit ihren Konten im Todesfall umzugehen ist. Eine klare Regelung im Testament oder die Nutzung von Account-Einstellungen, die die Nachlassverwaltung erleichtern, können spätere Streitigkeiten vermeiden.
Für Unternehmen, die Plattformen wie Social Media betreiben, bleibt es wichtig, ihre Vertragsbedingungen und Datenschutzrichtlinien im Hinblick auf Erbfälle eindeutig zu formulieren, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Fazit
Das OLG Oldenburg stärkt mit seiner Entscheidung die Rechte von Erben im digitalen Raum. Social-Media-Konten sind nicht nur vererblich, sondern können auch aktiv weitergenutzt werden, sofern keine berechtigten Interessen entgegenstehen. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, sich mit der rechtlichen Behandlung des digitalen Nachlasses auseinanderzusetzen – sowohl für Nutzer als auch für Plattformbetreiber.

Stefan Lutz, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht
externer Datenschutzbeauftragter
Lehrbeauftragter für IT-Recht an der RWU
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Lutz, LL.M. berät Firmen und private Mandanten in den Rechtsgebieten des IT-Rechts, wozu unter anderem das Datenschutzrecht (BDSG, DSGVO, TDDDG...), Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, E-Commerce-Recht, Social Media Recht und das Recht der Künstlichen Intelligenz gehören.
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